Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
Wetterau, und längst nicht alles wird landwirtschaftlichgenutzt. Es gehören auch Waldstriche und Wiesen dazu. Und da wird wegen neun Metern ein solcher Streit vom Zaun gebrochen.« Sie tippte sich an die Stirn. »Das ist einfach verrückt. Wissen Sie, dieser Hof wird seit sieben Generationen bewirtschaftet. Und ähnlich ist es bei den Köhlers. Viele leben schon seit einer Ewigkeit hier in der Gegend. Und nie gab es Streit wegen diesem bisschen Land. Aber irgendwann sind meinem Mann alte Bücher und Urkunden in die Hände gefallen, und da kam er auf die fixe Idee, dass diese elenden neun Meter zu seinem Land gehören. Das war so vor zehn oder elf Jahren, genau kann ich’s nicht sagen. Er hat Köhler daraufhin aufgefordert, ihm diesen Teil zu überlassen, was der natürlich ablehnte, was ich ihm auch nicht verdenken kann. Schließlich gibt es zwei Urkunden, laut denen sowohl mein Mann als auch Köhler recht hat. Und dann eskalierte der Streit, und mein Mann hat versucht, das seiner Meinung nach ihm zustehende Land gerichtlich einzuklagen. Er ist dabei sogar bis vors Oberlandesgericht gezogen und hat verloren. Das ist natürlich mächtig ins Geld gegangen, und mein Mann ist daraufhin erst richtig in Rage geraten. Er hat keine Gelegenheit ausgelassen, Köhler eins auszuwischen.«
    »Was hat er gemacht?«
    »Er hat ihn beschimpft und alle möglichen Gerüchte über ihn und seine Familie in die Welt gesetzt. Ach, da ist so viel vorgefallen, das würde zu weit führen, Ihnen das alles zu erzählen.«
    »Das hört sich nicht gerade freundlich an, wie Sie über Ihren Mann sprechen.«
    »Soll ich etwas beschönigen, wo es nichts zu beschönigen gibt? Das war eben mein Mann.«
    »Und wie hat Köhler auf die Anfeindungen Ihres Mannes reagiert?«, wollte Brandt wissen.
    »Sie werden Köhler ja sicherlich auch noch kennenlernen, der ist die Ruhe in Person. Und selbst meinem Mann ist es nicht gelungen, ihn aus der Ruhe zu bringen, was Kurt natürlich noch wütender machte. Köhler ist das genaue Gegenteil von meinem Mann, der wäre nie zu einem Mord fähig. Er hatte doch gewonnen, und die Leute im Ort stehen fast geschlossen hinter ihm. Aber seit dem Unfall ist er nicht mehr er selbst. Eigentlich ist er ein gebrochener Mann, erst seine Frau, dann sein Sohn.«
    »Was für ein Unfall?«, fragte Brandt mit hochgezogenen Brauen.
    »Entschuldigung, Sie können das ja gar nicht wissen, aber ich bin im Augenblick ein wenig durcheinander. Sein Sohn Johannes und unsere Tochter Allegra waren sehr eng befreundet, und seit Johannes tot ist, ist mit Erhard, ich meine, mit Herrn Köhler, nicht mehr viel anzufangen. Johannes war sein ein und alles. Er hat letzten Herbst mit dem Medizinstudium begonnen und wollte, soweit ich weiß, den Hof später nicht übernehmen. Aber das hat Erhard nicht gestört. Ihm war es wichtiger, dass sein Sohn glücklich ist, als dass er etwas macht, woran er keine Freude hat. Aber Johannes wollte den Namen Köhler mindestens noch eine Generation weitergeben. So wird es vielleicht die letzte Generation der Köhlers sein, die den Hof bewirtschaftet. Was danach kommt«, sie zuckte mit den Schultern, »das wissen allein die Götter. Es sei denn,er findet noch mal eine junge Frau, die ihm einen Sohn schenkt und dem die Landwirtschaft in die Wiege gelegt wird. Aber das halte ich für eher unwahrscheinlich.«
    »Was war das für ein Unfall?«, hakte Brandt, den die Nachwuchsgeschichte der Köhlers im Moment herzlich wenig interessierte, etwas energischer nach.
    »Ein Autounfall, nur zwei Kilometer von hier.«
    »War Ihre Tochter bei dem Unfall dabei?«
    »Ja, leider. Sie liegt im Krankenhaus, Wachkoma. Seit vier Monaten.«
    »Das tut mir leid. Ihre Tochter und der Sohn Ihres größten Feindes waren ein Liebespaar?«, sagte Brandt verwundert. »Wie hat denn Ihr Mann dazu gestanden? Das muss ihm doch ein Dorn im Auge gewesen sein.«
    »Erhard ist nicht
mein
Feind, er war es nie und wird es auch nie sein. Was glauben Sie, was hier los war, als mein Mann rausgekriegt hat, dass Johannes und Allegra was miteinander hatten?! Der hat ein Theater gemacht, ich hab Angst gehabt, dass er alles kurz und klein schlägt. Er hat getobt und geschrien und Allegra verboten, sich noch einmal mit Johannes zu treffen. Und das, obwohl die beiden sich schon seit dem Kindergarten kannten.« Liane Wrotzeck lächelte still, bevor sie fortfuhr: »Aber Allegra hat sich nicht einschüchtern lassen, genauso wenig wie Johannes. Sie haben sich weiterhin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher