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Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt

Titel: Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Autoren: Karl Olsberg
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Firma Algorithmics. Ihr Gründer Ron Dembo verkaufte diese Firma an die Fitch Group, deren Tochterfirma Fitch Ratings einschätzt, wie kreditwürdig Banken sind. Man kann sich denken, dass solche Banken, die Risikosoftware von Algorithmics verwenden, positiver beurteilt wurden als solche, die es nicht taten.

    Die Mathematik der Risikobewertung in dieser Software ist kompliziert und wird nur von den wenigsten Bankmanagern verstanden. Die Software ist nicht an sich fehlerhaft. Doch wie bei jeder Software hängt das Ergebnis von der Eingabe ab. Sind die Annahmen über die Marktentwicklung zu optimistisch, ist auch die Risikobewertung zu positiv. Das Problem ist nicht, dass Bankmanager diese Software verwenden - das Problem ist, dass sie sie verwenden, ohne genau zu wissen, wie sie funktioniert. »Die Banken haben sich der Illusion von Risk Management hingegeben, nicht aufs große Bild geschaut«, kommentiert Ron Dembo in einem Interview der Financial Times. »’Ne Menge Mathe, ’ne Masse Regeln, null gesunder Menschenverstand.« Ein wesentlicher Teil der Kapitalmarktkrise dürfte demnach darauf zurückzuführen sein, dass sich allzu viele Entscheider in Banken blind auf die Technik verlassen haben, die sie nutzten.

    Unermessliche Kapitalströme schwappen jeden Tag rund um den Globus wie Wasser in den Strudeln einer

    Meerenge. Es reicht ein vergleichsweise kleiner Auslöser -vielleicht die Pleite einer einzelnen Hypothekenbank in den USA -, um dieses System in Unruhe zu versetzen. Die Störung pflanzt sich fort und kann sich jederzeit verdichten und aufschaukeln, so wie bei unruhiger See mehr oder weniger zufällig und spontan gigantische Wellen, sogenannte Kaventsmänner von mehr als 25 Metern Höhe, entstehen können. Kein Computersystem kann diese Komplexität zuverlässig abbilden und vorausberechnen.

    Es wird noch Jahre dauern, bis die Ursachen und Wirkungszusammenhänge der Krise in allen Details analysiert und verstanden worden sind. Schon jetzt steht allerdings fest, dass die Komplexität und damit die Unbeherrschbarkeit der Finanzmärkte die Krise erst ermöglicht, sie vielleicht sogar unausweichlich gemacht haben.

    Ebenso steht fest, dass diese Krise nicht die letzte chaotische Systemschwankung gewesen sein wird. Wir bewegen uns auf eine Zukunft zu, die wir immer weniger verstehen, geschweige denn beherrschen, und die uns immer mehr Überraschungen bieten wird - angenehme wie unangenehme.

1.2. Was Darwin nicht wusste
    Warum tun wir so etwas? Warum sind wir so verrückt, uns mit Technik zu umgeben, die wir nicht mehr beherrschen? Warum bauen wir komplexe Systeme, die chaotisches Verhalten an den Tag legen?
    Bevor wir diese Frage beantworten, sollten wir uns vergegenwärtigen, dass komplexe Systeme, auch wenn sie chaotische Schwankungen aufweisen, nicht an sich negativ sind - im Gegenteil. Als es im Oktober 1929 zum bis dahin schlimmsten Börseneinbruch der Geschichte kam, reagierten die meisten Nationen mit protektionistischen Maßnahmen, um ihre heimatliche Wirtschaft vor den Folgen des globalen Abschwungs zu schützen. Sie koppelten sich quasi vom komplexen System der Weltwirtschaft ab, um ihre eigene Volkswirtschaft besser kontrollieren zu können. Der Effekt war genau das Gegenteil des Angestrebten: Der globale Handel brach zusammen und riss alle Länder in die tiefste Wirtschaftskrise aller Zeiten.
    Heute haben wir die Chance, aus der Vergangenheit zu lernen und einerseits schneller und entschlossener, andererseits auch besonnener zu reagieren - dann wird die globale Wirtschaft den aktuellen Rückschlag wahrscheinlich viel besser »verdauen« als zur Zeit der Großen Depression. Ein Kurseinbruch von mehr als 10 Prozent, der damals Börsenmakler dazu trieb, sich aus dem Fenster zu stürzen, gehört heute zu den Ereignissen, mit denen man eben rechnen muss. Und viele Volkswirtschaftler hatten nach dem anhaltenden Aufschwung der Jahre 2003 bis 2008 ohnehin damit gerechnet, dass eher früher als später ein erneuter Rückgang folgen müsse, auch wenn niemand einen so rapiden Absturz erwartet hatte.
    Die Entwicklung des Menschen
    Auch die Computer haben zweifellos viele Segnungen bewirkt, die Wirtschaft effizienter gemacht, unseren Wohlstand gemehrt und indirekt unser Leben verlängert. Dieses Buch ist kein Plädoyer gegen Technik!
    Die Frage bleibt aber, warum wir diese Systeme nicht besser in den Griff bekommen, warum wir uns freiwillig und naiv in Abhängigkeit von ihnen begeben, warum wir ihrem
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