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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding!
Autoren: Peter Boehm
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muffig riechendes Zelt. Von der süd-jemenitischen Armee ausgemustert, wie Felder im Vorbeigehen bemerkte. „Bei Sandsturm sind die unschlagbar.“
    Unmittelbar daneben saß eine riesige Holzskulptur. Erdbraun, die Hände über den Kopf geschlagen, ihre spitzen Brüste dem Betrachter wie zum Säugen hingestreckt. Ihr flaches Gesicht mit den geschlossen Augen, ihr versunkener Ausdruck, erinnerte mich an Skulpturen von Ernst Barlach. Aber bevor ich es richtig sagen konnte, schnitt mir Felder schon das Wort ab. „Baluba aus dem Kasai, Ost-Kongo. Wenn etwas an irgendetwas erinnert, dann Barlachs Skulpturen an die der Baluba. Und nicht umgekehrt.“
     
    Auch Felders Wohnzimmer quoll über mit seltsamen Sachen. Es sah mehr aus wie ein Antiquitätengeschäft als ein Raum, in dem jemand wohnte. An der Wand hing ein großer Teppich, mit Panzern, Handgranaten und Raketenwerfern, umrahmt von orientalischen Schriftzeichen. Es roch nach Weihrauch und altem Fisch. Ich erkannte im Zimmer verstreut einen Samowar, eine Wasserpfeife, javanische Schattenfiguren, afrikanische Masken, einen sitzenden Buddha, ein Holzkrokodil, Blechgeschirr, ein Totem aus der Südsee, an der Wand mehr Teppiche, irdene Krüge und Vasen, Stapel von Papier und Regale mit Büchern.
    „ Ey, Mann, ist das ein echter Kopf!?“ Auf einem flachen Schränkchen an der Wand zur Küche stand ein schwarzer, kleiner Kopf wie von einer großen Puppe, aufgespießt auf einem Ständer. Mit langen schwarzen Haaren und verschrumpelter Haut. War das ein menschlicher Kopf? Nicht begraben! Wer würde so etwas in seiner Wohnung aufstellen?
    „ Glaubst du, wenn er aus Plastik wäre, würde ich ihn aufstellen.“
    Ich guckte Felder an. Er meinte es ernst. Oder?
    Von irgendwoher hörte ich ein Kichern. Und: „Schönesding!“
    Ich drehte mich um. Dort saß ein etwas dicklicher Mann auf einem Sofa, als gehörte er zum Inventar. Nicht besonders alt. Mit einem runden, kindlichen Gesicht, ein Typ, dessen Körper zu schnell gewachsen war für seinen jungenhaften, runden Kopf.
    „Das ist nicht dein Ernst.“ Ich konnte es nicht glauben.
    „ Aber sicher, Mann!“
    „ Wo kriegt man so was her?“
    „ Aus Süd-Ecuador. Die Indianer machen sie noch heute.“
    „ Echt? Wie machen sie so was?“
    „ Du trennst die Haut vom Schädel, kochst sie, füllst sie mit heißen Steinen, damit sie schrumpft, und räucherst sie anschließend ein paar Stunden über dem Feuer, um sie zu konservieren. Dann kommen die Haare wieder dran. Fertig.“
    Er meinte es ernst.
    „Der arme Mann.“
    „ Kann auch ne Frau gewesen sein.“
    „ Schönesding!“ Das war wieder der Kindmann vom Sofa.
    „ Die arme Frau. Und du hast sie im Wohnzimmer.“
    „ Lehn dich zurück, Mann. Sie ist tot. Oder er. Und ihr oder ihm ist es egal. Das kannst du mir glauben.“
    Das war auch wieder wahr.
    Felder wandte sich zu dem Rechteck von vier flachen Sofas in der Ecke, das den Fenstern am entferntesten war. Dort saß der Kindmann mit einem Klapprechner auf dem Schoß. Und dort stand auch ein Tisch mit vier zu Schlangenköpfen geschnitzten Beinen.
    „ Das ist Hubsi.“ Felder zeigte auf den Kindmann. „Hubsi, das ist unser neuer Nachbar.“
    „ Freut mich.“ Ich nickte ihm zu.
    „ Schönesding!“, sagte Hubsi und hob die Hand ein bisschen.
    „ Hubsi spricht nicht besonders viel. Aber er ist in Ordnung.“
    Felder verschwand in die Küche, und ich setzte mich zu Hubsi. Auf dem Tisch lagen und standen ungespülte Gläser und lagen alte Zeitschriften. Er war so zugestellt, man konnte fast nicht mehr erkennen, dass in seine Fläche ein Schachbrett und ein Backgammon-Spielfeld eingelassen war.
    Aus der Küche kam Felder mit drei Gläsern und einer Kanne voll blutroter Flüssigkeit zurück.
    „ Was zu trinken, Mann?“, fragte er, als schon ein Glas vor mir auf dem Tisch stand und er schon begonnen hatte einzuschenken.
    Das rote Zeug schmeckte ziemlich süß, aber auch ein bisschen sauer, vielleicht wie eine Mischung aus Kirsch- und Hagebuttensaft. Bestimmt ist da eine Menge Zucker drin, dachte ich.
    Felder schrak sichtlich zurück. „Nein, Mann, kein einziges Körnchen! Das ist Karkadeh, Hibiskus, verstehst du? Der ist von Natur aus so süß. Hat ne Menge Vitamin C.“
    „ Ach so. Ist echt gut.“
    „ Direktimport aus dem Tschad, Mann. Hat mir mal das Leben gerettet, verstehst du. Gab nur fauliges Wasser aus Viehbrunnen, verstehst du.“
    „ Na, sag ich ja. Könnte ich mich echt daran gewöhnen.“
    Felder
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