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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding!
Autoren: Peter Boehm
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Mutter gegeneinander aufhetzen, ja, dass ich sie auseinander bringen wollte.
    Wenn ich ehrlich sein soll, ich hätte wirklich nichts dagegen gehabt. Als ich jedoch mit Gabi Wisch plus Papa Wisch auch noch in den Urlaub fahren sollte, war es aus. Das ging zu weit. Ich sagte zu Luise, mir völlig bewusst, dass Gabi Wisch mithörte, dass das das Ende zwischen ihr und mir bedeuten würde. Mit Andrea und Herbert nach Süd-Frankreich! Was zu viel war, war zu viel! Luise und ich würden alleine in den Urlaub fahren, oder gar nicht.
    So ging das. Und es war keine Ende in Sicht. Also bin ich nach Berlin gegangen. Wir sind dann gar nicht in den Urlaub gefahren, weil ich meinen Umzug nach Berlin vorbereiten musste. Aber es war nicht das Ende der Geschichte von Luise und mir, es war nur das Ende eines Kapitels.
    Der Streit allerdings schwelte weiter. Anstatt über den Urlaub stritten wir nun darüber, dass ich in Berlin war und nicht bei ihr. In Berlin, wo mich die Raben an sie erinnerten. Und das war das.
    Die Raben sind dann im übrigen weitergezogen. Ich wusste nicht wohin. Ob sie das Weite gesucht haben, weil einer überfahren wurde, keine Ahnung. Oder weil sie jetzt eine große Schar waren und in der Stadt nicht genug zu fressen finden konnten. Ich wusste es nicht. Sie sind einfach weiter gezogen. Aber sie mussten dafür niemandem eine Erklärung geben.
    Ich wünschte, so wäre es bei mir auch gewesen. Aber so war es nicht. Ich war woanders hingezogen, aber ich musste eine Menge Erklärungen geben. Und das fast jeden Tag. Trotzdem weinte Luise. Tja, so war das mit den Raben.
     

* 6 *
     
    Dann sah ich Felder wieder für eine ganze Weile nicht. Die kursiven Leute gingen weiter bei ihm ein und aus, und nachts um drei oder vier wackelten manchmal die Wände, weil er Musik hörte, fürchterlich laut und fast immer dasselbe Stück. Oft zehn oder fünfzehn Mal hintereinander.
    Inzwischen war ich aber schon soweit, dass ich, wenn ich die Wohnungsklingel hörte, alles liegen und stehen ließ und fast wie von einem magischen Faden gezogen zu meinem Guckloch in meiner Zimmertür lief. Für die letzten paar Schritte sog ich die Luft ein, bis mir angenehm schwummrig wurde vor Augen, und fror alle Bewegungen ein, wie ein Chamäleon in Zungenweite einer Fliege - bis Felders Besucher in seinem Zimmer verschwunden waren.
    Was konnten all diese Leute bei Felder wollen? Was machten sie dort?
    Nun wollte ich meinen seltsamen Nachbarn auf jeden Fall treffen. Nur: In unseren virtuellen Zeiten sind Treffen im Fleisch ja etwas Seltenes, Wertvolles geworden. Und ich wusste auch nicht wie. Einfach hingehen, klopfen, sich vorstellen, wir sind Mitbewohner, freut mich, dass wir uns einmal kennen lernen? Oder war das zu einfach, zu offensichtlich, zu aufdringlich? Ich sollte ihm ja seinen Freiraum lassen, hatte mir mein Freund eingeschärft.
    Und heutzutage, wo im Fernsehen jeder hunderte, wenn nicht tausende von Augenküssen gesehen hat, jenen entscheidenden Moment des ersten Treffens, wenn wir uns gemeinsam nach einem heruntergefallenen Fetzen Papier bücken, wenn sich dann unsere Blicke zum ersten Mal treffen und sich ineinander ver- und die Welt ausschließen. Da will man ja was Originelles. Was, woran man sich erinnern kann, worüber man anderen erzählen kann, am besten gemeinsam, zurückschauend, schmunzelnd, ja, so war das damals. Ernsthaft. Du glaubst es kaum.
    Also machte ich nichts und wartete erst einmal ab.
    Ein paar Tage später, am Vormittag um halb zwölf, klingelte es an der Tür. Ein Mann von der Post war an der Gegensprechanlage. Er hatte ein Paket für einen Herrn Felder, aber der war nicht da. Ob ich denn so nett wäre es für ihn anzunehmen?
    Oh, Du, Bote der Briefe und Pakete! Beweger der leiblich gebliebenen Botschaften! Fossil aus einer anderen Zeit! Dass gerade Du der Überbringer des Schlüssels sein würdest, wer konnte das ahnen!
    Ich kann mich nicht erinnern mich schon einmal so über die grau-blaue Uniform der Boten gefreut zu haben. Mittelalt keuchte er die Stufen hoch und überreichte mir ein leicht lädiertes Paket. Ich unterschrieb und zog mich in die Wohnung zurück, um es genau zu studieren. Als ich die Tür zum Treppenhaus zumachte, konnte ich mich des Gedankens nur schwer erwehren, dass sich hier gerade eine Spinne mit ihrer Beute in das Dunkel ihrer Höhle zurückzog.
    Das Paket hatte auf seinem langen Weg eine ganze Menge durchgemacht. Sein braunes Packpapier war fleckig, die Ecken geeselt und die vielen
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