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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen
Autoren: Jess Walter
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als feiger Lügner dargestellt wird. Ab da lässt Shane die Finger von Kannibalen. Auch bei Claire versucht er es noch mal, aber sie scheint ziemlich glücklich mit ihrem Freund, und als er ihn kennenlernt, begreift er: Der Typ sieht viel besser aus als er. Er bezahlt Saundra ihr Auto und legt noch etwas drauf für den ruinierten Kredit, aber sie zeigt ihm weiter die kalte Schulter. Doch eines Abends nach der Arbeit lernt er die Produktionsassistentin Wylie näher kennen, die zweiundzwanzig ist, ihn für brillant hält und schließlich sein Herz erobert mit einem HANDLE -Tattoo, das sie sich auf den unteren Rücken stechen lässt –
    In Sandpoint, Idaho, steht Pat Bender um vier Uhr auf, kocht die erste von drei Kannen Kaffee und füllt die Stunden vor und nach der Dämmerung mit Arbeiten am Haus. Er fängt gern damit an, bevor er richtig wach geworden ist, denn der Tag bekommt damit eine Dynamik, die ihn weiterträgt. Solange er etwas zu tun hat, fühlt er sich gut. Also lichtet er Sträucher aus, hackt Holz oder erneuert den Anstrich der vorderen oder der hinteren Veranda oder der Außengebäude, nachdem er sie sorgfältig abgebeizt und abgeschliffen hat. Dann kann es wieder von vorn losgehen. Vor zehn Jahren hätte er das für eine Art Sisyphosfolter gehalten, doch jetzt kann er es gar nicht erwarten, in die Arbeitsstiefel zu steigen, Kaffee zu machen und hinaus in das geheimnisvolle Dunkel zu treten. Er mag die Welt am liebsten, wenn er allein in ihr ist und sie ihn mit vormorgendlicher Stille umgibt. Später fährt er mit Lydia in den Ort, um an Kulissen für die Kinderproduktionen des Theaters zu arbeiten. Dee hat Lydia den Geldbeschaffungstrick für Laientheater verraten: so viele süße Kleine wie möglich mitspielen lassen und zusehen, wie sich die reichen Ski-Eltern und die Seebewohner in Flipflops auf die Karten stürzen, um mit dem Erlös künstlerisch anspruchsvolle Produktionen zu realisieren. Abgesehen von ihrer kommerziellen Ausrichtung sind die Stücke bezaubernd, und Pat mag sie insgeheim sogar lieber als die viel zu ernste Erwachsenenkost. Er übernimmt eine große Rolle pro Jahr, meistens in einem Werk, das Lydia aussucht; als Nächstes spielen Keith und er in True West . Noch nie hat er Lydia so glücklich gesehen. Er hat dem verrückten Zombie-Produzenten klargemacht, dass er kein Interesse daran hat, seine »Rechte auf Lebenszeit« zu verkaufen, und ihn möglichst freundlich aufgefordert, ihn und seine Familie in Ruhe zu lassen. Doch das hat den Typen nicht davon abgehalten, die Rechte an Lydias Stück zu erwerben. Als Frontmann in die Kinos kommt, hat Pat keine Lust, sich den Film anzusehen, doch dann erfährt er, dass die Geschichte stark verändert wurde und fast keine Ähnlichkeit mehr mit seinem Leben hat, und ist zutiefst dankbar. Unbekannt ist ihm inzwischen lieber als gescheitert. Mit einem Teil des Geldes aus dem Vertrag möchte Lydia eine Reise machen – und vielleicht tun sie es auch, aber Pat kann sich genauso gut vorstellen, North Idaho nie wieder zu verlassen. Er hat seinen Kaffee, und er hat sein Ritual, die Arbeit am Haus, und mit der neuen Satellitenschüssel, die ihm Lydia zum Geburtstag schenkt, hat er neunhundert Kanäle, dazu den Verleih Netflix, mit dessen Hilfe er sich chronologisch durch die Filme seines Vaters arbeitet – momentan ist er bei Die Stunde der Komödianten von 1967. Es bereitet ihm ein perverses Vergnügen, Bruchstücke von sich in seinem Vater wiederzufinden, doch dem unvermeidlichen Niedergang blickt er mit gemischten Gefühlen entgegen. Auch Lydia sieht sich diese Filme gern an und zieht ihn damit auf, dass er die Figur seines Vaters hat (Diese Beine kenne ich doch irgendwoher) – die gute Lydia, die dafür sorgt, dass alle losen Fäden in ihrem gemeinsamen Leben zusammenkommen. Und an den Tagen, an denen Lydia, der See, der Kaffee, die Reparaturarbeit und das Richard-Burton-Filmarchiv nicht ausreichen, an den Abenden, an denen er sich nach dem alten Lärm verzehrt – ja, verzehrt nach einer Frau auf seinem Schoß und einer Line Koks auf dem Tisch, wenn er sich an das Lächeln der Barfrau im Café gegenüber dem Theater erinnert oder wenn er an Michael Deanes Visitenkarte in der Küchenschublade und an die Möglichkeit eines Anrufs denkt – »Und wie würde das genau aussehen?« –, an den Tagen, an denen er sich vorstellt, sich noch einen Tick mehr zuzudröhnen (also jeden Tag) , konzentriert sich Pat Bender auf die Stufen. Er erinnert sich an
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