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Schock

Titel: Schock
Autoren: Hunter Evan
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entdeckte, daß Zimmer 407 entweder im Augenblick leer oder mit einer unverheirateten Achtzigerin belegt war. Statt dessen hörte er zu seiner grenzenlosen Erleichterung ein Klicken: sie wählte die Nummer. Und dann hörte er irgendwo in der Stadt ein Telefon schnarren, das hartnäckig nach jemandem rief, der für ihn weder Gesicht noch Namen hatte.
    Das Telefon läutete, einmal, zweimal, dreimal.
    Er wartete.
    Es läutete wieder und wieder, und er war schon entschlossen, aufzuhängen, als eine Frauenstimme plötzlich »hallo« sagte.
    »Hallo«, sagte er verblüfft.
    »Wie spät ist es?« fragte die Frau. Ihre Stimme klang kurzatmig und verschlafen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete er. »Gerade aufgewacht?«
    Er hörte einen unterdrückten Laut; und dann sagte die Frau, die offenbar nach der Uhr an ihrem Bett gesehen hatte: »Du lieber Gott, es ist sechs Uhr früh! Wer ist dort?«
    »Ist dort MO 6-2367?«
    »Ja, hier ist Monument 6-2367. Wer dort?«
    »Wer dort?« fragte er zurück.
    »Was soll das nun wieder heißen? Bist du das, Sam?«
    »Bitte – wer dort?« fragte er noch einmal.
    »Hier ist Gloria. Was heißt überhaupt ›wer dort‹? Rufst du an oder ich?«
    »Ich rufe an, Gloria«, sagte er. Gloria, dachte er. G.V. »Wie geht's?«
    »Wie es geht? Ich schlafe noch halb, genügt das? Was ist überhaupt los? Bist du das, Sam?«
    Sam, dachte er. »Ja«, sagte er. »Ich bin's, Sam.«
    »Dachte ich mir«, sagte Gloria.
    »Ich möchte dich sehen.«
    »Warum?«
    »Ich möchte mir dir sprechen.«
    »Warum?«
    »Ich – ich muß mit dir sprechen.« Er zögerte einen Moment und sagte dann: »Ich bin am Ende.«
    »Wo in aller Welt – was soll das heißen, du bist am Ende? Sagtest du ›am Ende‹?«
    »Ja.«
    »Ach Sam«, sagte die Frau. In ihrer Stimme lag so viel Verzweiflung, daß er einen Augenblick lang glaubte, sie würde zu weinen anfangen.
    »Gloria?«
    Sie antwortete nicht.
    »Gloria?« fragte er noch einmal.
    »Ich bin noch da.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Bei mir? Natürlich. Warum rufst du immer nur an, wenn du betrunken bist? Würdest du mir das bitte erklären?«
    »Ich bin nicht betrunken, Gloria.«
    »Was in aller Welt heißt dann: du bist am Ende? Wie kannst du am Ende sein? Wo bist du überhaupt?«
    »Hier im Plaza.«
    »Wo bist du?«
    »Im Plaza-Hotel, an der Neunundfünfzigsten Straße.«
    »Wie kannst du am Ende sein, wenn du im Plaza-Hotel bist?«
    »Wo bist du, Gloria?«
    »Zu Hause. Merkwürdige Frage! Zu Hause bin ich, wo sollte ich sonst sein? Schließlich hast du mich angerufen, oder etwa nicht? Ich bin im Bett und schlafe, das heißt, ich versuche es. Ach, Sam, du machst mich verrückt. Was willst du schon wieder?«
    »Ich möchte dich sehen.«
    »Wann?«
    »Jetzt.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Du willst doch nur … Kommt nicht in Frage.«
    »Gloria, ich muß dich sehen.«
    »Warum?«
    »Weil …« Er zögerte. »Weil ich nicht weiß, wer ich bin; außerdem bin ich hungrig.«
    »Du hast nie gewußt, wer du bist«, sagte Gloria. »Und hungrig warst du immer. Glaubst du etwa, das ist etwas Neues für mich?«
    »Ich weiß wirklich nicht, wer ich bin«, sagte er.
    »Ja, ja.«
    »Gloria?«
    »Ja, ja.«
    »Lass mich zu dir kommen.«
    »Warum? Du willst doch nur mit mir ins Bett.«
    »Nein. Ich möchte, daß du mir sagst, wer ich bin.«
    »Ach, Sam, lass das. Für solchen Unsinn ist es noch zu früh. Du bist du, was sonst? Du kannst einen verrückt machen, wenn du es genau wissen willst. Nun häng auf und lass mich weiterschlafen.«
    »Nein!« sagte er scharf. »Gloria – eine Minute noch.«
    Er hörte die Frau am anderen Ende der Leitung seufzen. »Also von mir aus«, sagte sie. »Aber nur eine Minute.«
    »Ich bin heute morgen im Central Park aufgewacht«, sagte er.
    »So?«
    »Ich weiß nicht, wer ich bin.«
    »Sam, ich verstehe kein Wort«, sagte sie. »Kein einziges Wort.«
    »Ich erkläre dir alles, wenn ich komme.«
    »Du wirst durchaus nichts erklären, wenn du kommst; du kommst mir nicht hierher.«
    »Deine Nummer stand in meinem Buch«, sagte er.
    »Wie?«
    »In meinem Buch.«
    »Klar. Und deine Nummer steht in meinem Buch, Liebling; ich weiß, was du willst, und habe keinerlei Lust, es dir zu geben. Wenn du etwa glaubst, du brauchst nur zu kommen und schon …«
    »Nein, ich will mit dir reden.«
    »Das konntest du immer schon gut«, sagte sie. Er spürte, daß sie nahe daran war, nachzugeben.
    »Ganz bestimmt. Lass mich kommen.«
    »Ich schlafe noch. Ich bin erst halb
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