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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera
Autoren: Rosa Cerrato
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dass der Selbstmord ein Schuldeingeständnis ist?«
    »In dem Brief, den er zurückgelassen hat, steht immerhin, dass er mit dieser Last auf dem Gewissen nicht leben könne. Er hat alles mit sich allein ausgemacht, Prozess, Urteil und Vollstreckung. Eine echte Profiarbeit, das Erhängen. Er hat seine Frau losgeschickt, Tabletten zu kaufen, und hat dann einen Knoten gemacht, der jeden Henker blass aussehen lässt. Wie ein blutjunger Anfänger, der den Kopf verliert wegen so einer ...«
    Er kam nicht weiter, denn Nelly starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Wollten Sie vielleicht sagen ›wegen so einer Lappalie‹, Dottor Esposito?«, fragte sie tonlos.
    »Die springt mir gleich ins Gesicht«, schoss es Esposito durch den Kopf.
    »Aber ich bitte Sie, Dottoressa Rosso«, verteidigte er sich hilflos. »Ich wollte sagen, wegen so einer bedauerlichen Sache, die jedoch jedem hätte passieren können.«
    »Er hat wohl gedacht, dass sie ihm nicht hätte passieren dürfen«, schnitt Nelly ihm das Wort ab und ließ ihn gerade noch einmal davonkommen.
     
    Der Polizeichef war ein großer, beleibter Mann Mitte fünfzig mit dichtem, schwarzem, an den Schläfen leicht ergrautem Haar. Er war Römer und hieß Volponi, was gut zu seinen wachsamen, hellbraunen Fuchsaugen passte. Der Draht zwischen ihm und Nelly war denkbar schlecht, schlecht und verkappt. Kein Lobeswort konnte sein tief empfundenes Misstrauen gegenüber dieser ihm unbegreiflichen Frau zerstreuen. Er gehörte zu der Sorte Mann, die gern alles unter Kontrolle hat und nach effektiven, durch jahrelange Erfahrung erprobten Rastern handelt. Nelly passte nicht in diese Raster und stellte somit eine Bedrohung für ihn dar. Gewiss: eine loyale, zuverlässige Beamtin, diese kräftige Frau mit dem ätherischen, romantischen Mädchennamen, wie hieß sie doch gleich richtig? Ach ja, Petronella; und fähig obendrein, mit einem beachtlichen Lebenslauf, eine der Besten, aber unberechenbar, kaum zu kontrollieren ... Mit diesen Haselnussaugen, die ihn ständig musterten, ständig kritisierten.
    Als hätte sie die Gedanken des Vorgesetzten gelesen, wandte Nelly den Blick ab. Auch seine eleganten Krawatten und die stets maßgeschneiderten Anzüge konnten Romano Volponis Attraktivität nicht wesentlich steigern. Er war nicht hässlich, hatte aber etwas Vulgäres, das sich auch durch die Kleidung nicht übertünchen ließ.
    »Was meinen Sie, Dottoressa? Möchten Sie wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen werden? Eine für alle äußerst unerquickliche Angelegenheit. Auch wenn Mandellis Ende«, er machte eine Pause, »so unrühmlich und in menschlicher Hinsicht tragisch es auch sein mag, uns die Kastanien aus dem Feuer holt.«
    »Schuld und Sühne«, sagte Nelly kalt.
    »So ungefähr«, pflichtete Volponi bei, der in Literatur alles andere als beschlagen war, aber der Botschaft durchaus etwas abgewinnen konnte.
    »Was wollen die machen, uns alle lynchen? Er hat sich umgebracht, der arme Kerl, mehr Buße geht wohl kaum ...«
    »Wie dem auch sei, Herr Polizeipräsident, wenn Sie meinen, es bestünde Befangenheit wegen meines Sohnes, bin ich selbstverständlich bereit, den Fall abzugeben«, schob Nelly rasch nach, um ihm zuvorzukommen.
    Sie war gespannt, nach außen hin ruhig, doch ihr Herz pochte wie das eines Pokerspielers beim Bluffen. Sie wollte ermitteln, der Sache auf den Grund gehen. Es ging immerhin um ihren Sohn, um sein Leben. Sie würde bestimmt nicht die Finger davon lassen, selbst wenn er sie von dem Fall abziehen würde. Doch der Bluff gelang. Von dieser seltsamen Frau abermals aus dem Konzept gebracht, kam der wankelmütige Volponi rasch zu dem Schluss, dass sie emotional nicht zu befangen war. Überdies schien der Fall, so tragisch er auch sein mochte, sowieso schon geklärt zu sein.
    »Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Wenn Sie meinen, die Ermittlungen zu Ende führen zu können, habe ich nichts dagegen. Wenn Sie angesichts von Auteris unseligem Autounfall jemand anderen zur Seite gestellt bekommen möchten, lassen Sie es mich wissen. Nehmen Sie sich so viele Leute, wie Sie brauchen. Ihre Kenntnis des Milieus, in dem sich der Fall zugetragen hat, kann sich möglicherweise als nützlich erweisen.«
    Für Volponi war die Sache erledigt.
    »Danke für Ihr Vertrauen, Herr Polizeichef. Fürs Erste komme ich wohl ohne einen Ersatz für Dottor Auteri aus. Ich werde Sie über den Stand der Dinge auf dem Laufenden halten.«
    Sie hatte ganz normal geklungen, und Volponi
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