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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera
Autoren: Rosa Cerrato
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hatte keine Ahnung, wie aufgewühlt sie innerlich war. Sie verabschiedete sich und ging.
    Die Sekretärin des Polizeichefs, eine Matrone mittleren Alters mit einem dezent geschminkten, teigigen Gesicht, warf ihr einen herablassenden Blick zu. Wie ein Hund spürte sie das Befinden ihres Herrchens und war freundlich zu seinen Schützlingen und kühl, schnippisch oder zumindest gleichgültig gegenüber denen, die nicht in seiner Gunst standen.
    »Mit Kindern hat man es heutzutage nicht leicht ...«, hob sie wichtigtuerisch an, doch Nellys Blick schnitt ihr das Wort ab.
    »Dottoressa, ich wollte nicht ...«, stammelte sie verlegen. Doch Nelly hatte die Tür bereits hinter sich zugeschlagen.
    »Unsympathisch, arrogant, unverheiratet und Mutter – wofür hält die sich eigentlich!«
    In dem Moment rief Volponi nach ihr, und Signorina Cisa (als ledige Fünfundfünfzigjährige bestand sie auf das »Signorina«, schließlich war sie vom alten Schlag, nicht wie diese Flittchen heutzutage, zu denen fraglos auch Dottoressa Rosso mit ihrem drogenabhängigen Bastard gehörte) folgte sofort dem Ruf ihres Herrchens.
     
    Die Stimme des Pathologen Nardini am Telefon klang beunruhigt. Und Nardini war keiner, der sich leicht aus der Ruhe bringen ließ. Nelly kannte ihn seit Jahren und merkte sofort, dass ihm etwas zu schaffen machte.
    »Dottoressa Rosso?«
    »Ja, Dottore?«
    »Dieser arme Junge ist tatsächlich durch eine Kugel ums Leben gekommen. Der Kollege Parodi hatte diese Vermutung geäußert, und er hat ausnahmsweise mal ins Schwarze getroffen, trotz des zertrümmerten Schädels. Wie gesagt, ein gezielter Schuss in den Kopf. Er war auf der Stelle tot. Vor dem Aufschlag. Bei dem Zustand der Leiche ließ sich das nur nicht sofort mit Sicherheit feststellen ... Wie auch immer, es sieht wirklich so aus, als sei es dieser Polizist gewesen.«
    »Mandelli. Er ist ebenfalls tot. Er hat sich erhängt. Das bedeutet noch mehr Arbeit für Sie, Dottore.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte bleiernes Schweigen. Dann:
    »Ich weiß. Sie haben ihn hierhergebracht. Er liegt bereits nebenan. Manchmal wäre ich wirklich gern arbeitslos. Aber irgendjemand sorgt immer dafür, dass ich was zu tun habe.«
    Seine Stimme klang plötzlich bedrückt.
    »Wie gesagt, es sieht so aus. Aber wie hat er ihn in den Kopf treffen können? Angeblich stand der Junge auf der Brüstung. Und hat der Polizist nicht gesagt, er sei gestolpert? Es erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich, dass die Kugel eine derart flache Flugbahn nehmen konnte. Sie ist in einem schwachen Winkel eingedrungen, als wäre sie fast auf Kopfhöhe von Bagnasco abgefeuert worden. Ein präziser Schuss, von einem Profi. Wenn ich nicht wüsste, wie es gelaufen ist, sähe das für mich nach einer Hinrichtung aus.«
    Nardini machte abermals eine Pause.
    »Und dann ist da noch etwas sehr Merkwürdiges. Das Projektil ist in Francesco Bagnascos Hinterkopf eingedrungen.«
    »Bitte wo?«
    Das war unmöglich, Nardini musste sich irren.
    »Sie haben richtig gehört. In den Hinterkopf, so absurd das auch klingen mag. Vielleicht hat der Junge sich umgedreht, wer weiß, aber sehr seltsam ist es trotzdem.«
    Die Alarmglocke in Nellys Kopf schrillte ohrenbetäubend.
    »Haben Sie die Kugel schon der Spurensicherung übergeben?«
    »Das wollte ich gerade machen.«
    »Gut.«
     
    Mandelli hatte also auf Francis Hinterkopf geschossen, obwohl Franci höher als er gestanden und ihm nicht den Rücken zugewandt hatte. Oder vielleicht doch? Hatte Mandelli absichtlich von hinten auf ihn geschossen? Der Gedanke erfüllte sie mit Grauen und Unglaube zugleich. Der Unfall erschien immer merkwürdiger und unwahrscheinlicher. Immer verstörender. Mandelli hatte sich zu früh umgebracht. Es gab einen Haufen von Fragen, auf die er nicht mehr antworten konnte. Das Telefon riss Nelly aus ihren Grübeleien. Es war Marco, ihr Vize. Er rief aus dem Galliera-Krankenhaus an, in das er nach dem heftigen Auffahrunfall auf dem Weg ins Polizeipräsidium tags zuvor eingeliefert worden war. Er sprach schleppend und war wegen des Schleudertraumas, einer ausgerenkten Schulter und eines gebrochenen Armes vollkommen ruhiggestellt. Nelly wünschte sehnlichst, er wäre es nicht. Auteri hatte eine echte Spürnase und einen erstklassigen Teamgeist, er wusste, wie man eine Gruppe zusammenschweißte, und erleichterte ihr das Leben im Allgemeinen enorm.
    »Meine rechte Hand ist also eingegipst«, witzelte sie. »Wie geht’s, Marco?«
    Auteri fluchte
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