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Schnappschuss

Schnappschuss

Titel: Schnappschuss
Autoren: Garry Disher
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sollte. Dafür war Vyner zuständig, nicht er. Er war der Fahrer, er lieferte nur den Wagen und die Ortskenntnisse für die gewundenen Straßen in dieser Gegend der Halbinsel, in der es kleine Städtchen, Obstplantagen und Weingärten gab. Vom Meer her zog Nebel auf, verdeckte Straßen und Schiffsrouten und bot gute Deckung für ihren Job.
    Die Einfahrt fiel steil von der Hauptstraße ab, und die Bremsen des Commodore waren abgefahren. »Scheißkarre«, sagte Vyner, sein Beifahrer.
    Gent rutschte unbehaglich hinter dem Steuer herum. Vyner hatte ihm gesagt, er solle einen vernünftigen Wagen klauen mit ausreichend PS, aber nichts Ausgefallenes.
    »Was Besseres hab ich nicht gefunden«, murmelte Gent und trat schuldbewusst mehrmals auf die Bremse des Wagens, der seiner Cousine gehörte.
     
    Der Typ ist ’ne Pfeife, dachte Vyner auf dem Beifahrersitz, zog mit der einen behandschuhten Hand eine Pistole aus der Tasche und schraubte mit der anderen den Schalldämpfer auf. Er wartete mit kaum verhohlener Ungeduld darauf, dass Gent endlich anhielt, dann stieg er aus und ging auf den Wagen der Frau zu, einen silberfarbenen Volvo Kombi. Die Frau stieg entschuldigend lächelnd aus. Vyner hasste das. Wo er herkam, da handelte man erst und stellte dann Fragen. Jugendstrafgericht mit dreizehn, staatliche Fürsorgeanstalt mit vierzehn, Verurteilung zu einer Strafe in einer Jugendstrafanstalt mit fünfzehn. Dann die Navy, wo er ein paar Jahre lang alles daransetzte, um so nützliche Dinge wie technologisch hochentwickelte Tötungstechniken aus größerer Entfernung zu erlernen. 2003 wurde er nach einem Zwischenfall am Persischen Golf entlassen. Der Seelenklempner, der ihn beurteilen sollte, beschied: Leading Seaman Vyner besitzt einen scharfen Verstand , doch ist er manipulativ , lügt zwanghaft und hat einen ausgeprägten Sinn für Grausamkeit bewiesen .
    Na ja, wie Vyner an diesem Morgen in sein Tagebuch geschrieben hatte: Kein Komet hat Funken von Freude und Licht über mich verstreut .Das hundsgewöhnliche Leben war ihm auf den Fersen, doch er strebte nach den höheren Bewusstseinsebenen der Weisheit.
    Wie zum Beispiel jetzt, als es darum ging, eine Frau vor den Augen ihres Kindes niederzuschießen – denn auf dem Beifahrersitz saß ein Kind, das eigentlich in der Schule hätte sein müssen, wo doch Dienstag war. Das Kind hatte keine Angst, sondern war nur neugierig, doch die Frau schon. Sie hatte die Waffe bemerkt.
    Sie reckte ihm ihre Hände entgegen und flehte ihn an: »Nein, bitte nicht, das war nur ein Scherz, ich wollte sie niemandem zeigen, ich wollte kein Geld.« Dann schlug sie die Autotür zu und wich vor Vyner zurück, sagte noch ein paar andere Dinge wie: »Ich bin die falsche Person« und »Was hab ich Ihnen denn getan?« und »Tun Sie meiner Tochter nichts«, aber Vyner hatte einen Job zu erledigen.
    Er ging weiter, und als die Frau kehrtmachte und zur Frontseite des Volvo eilte, änderte Vyner sein Schritttempo nicht, sondern hob die Pistole und zielte. Sie umrundete die Motorhaube des Wagens, lief geduckt an der anderen Seite zum Wagenende, also machte Vyner geduldig kehrt und ging ihr entgegen. Ein Katz-und-Maus-Spiel, die Frau wimmerte, Vyner achtete auf seinen ruhigen Puls und langsamen Atem. Ein Eintrag in seinem Tagebuch: Heute standen mir die Engel zur Seite .
    Nathan Gent, der hinter dem Steuer des Commodore saß, überkam die Wahrheit wie ein Schock. Er saß offenmäulig da, der Commodore schüttelte sich unrhythmisch auf vielleicht vier von sechs Zylindern, und Gent erkannte, dass er für einen Mord angeheuert worden war. Er schloss den Mund, seine fauligen Zähne schlugen aufeinander, und er gab ein wenig Gas, bis er den Motor gleichmäßiger laufen hörte. »Ein kleines Geschäft«, hatte Vyner gesagt. »Dauert nicht lange.« Vyner – hart, dürr und agil wie eine Peitsche – war schon immer ein harter Hund gewesen, aber Gent hatte nicht gewusst, dass er Leute umgebracht hatte, mal abgesehen von vielleicht ein paar irakischen Kameltreibern. Gent spürte, wie er langsam die Nerven verlor. Er schaute zu, kniff den Hintern zusammen, und sah, wie Vyner und die Frau von beiden Seiten des Wagens gleichzeitig die hintere Stoßstange des Volvo erreichten. Die Frau zuckte zusammen und rannte geduckt den Weg zurück. Vyner hatte alle Zeit der Welt und folgte ihr.
    Dann verließ die Frau ihre Deckung. Sie wusste, das Ende war gekommen, und sie hatte vor, Vyner von dem Kind fortzulocken, das im Wagen gefangen
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