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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord
Autoren: Gisbert Haefs
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besser nutzen könnte.«
    Yü grinste. »Wozu willst du ihn denn nutzen? Du schläfst in Hermines Bett, ißt in ihrer Küche, kraulst in ihrer Badewanne und siehst ihr beim Schnitzen zu, in ihrem Atelier. Was willst du denn mit dem Westflügel? Laß die Bibliothek des toten Prof doch einfach, wo sie ist.«
    »Vielleicht will ich ein Philosabyrinth bauen.«
    Samstags ließ am Vormittag das Geniesel nach, das seit dem mittleren Donnerstag als Mischung aus Sommer und Sauna gedient hatte. Hermine, noch nicht recht zufrieden mit ihrem Kunstwerk, ließ die Schnitzmesser fahren und griff zu Küchengeräten, als Matzbach mit Pflaumen vom Roisdorfer Markt zurückkehrte.
    »Hast du sonst noch was mitgebracht? Etwas, was man notfalls essen könnte?«
    »Sahne.« Er holte eine Halbliterflasche aus der tiefen Tasche seiner Wohnjacke. »Prummetaat mit Schlagsahne, und wenn Komarek noch hier wäre, hieße es Pflaumenkuchen mit Schlagobers, oder so ähnlich. Immer diese Dialekte. Tu das Messer weg.«
    »Ein Lendenstückchen«, sagte sie fast verträumt; die Spitze des Brotmessers ruhte eine knappe Handbreit unterhalb seines Nabels.
    »Nix da. Die beiden jungen Leute sind verfressen, und sie verehren deine Kochkunst. Also kriegen sie nichts, bis sie beginnen, mich von den aufgetürmten Phallosophen im Westflügel zu befreien.«
    »Phallosophen? Ich finde deine Ausdrucksweise ziemlich vulvär, vor allem, wenn ich nicht kochen soll. Was wollen wir denn heute abend essen?«
    Er hob die Schultern. »Irgendein Pizzaservice. Das wird sie lehren, mich zwischen Büchern hängen zu lassen.«
    Felix Yü und Daniela Dingeldein erschienen gegen halb fünf. Matzbach, der sich weiträumig nutzlos vorkam, wie er sagte, hatte den Tisch auf der Veranda gedeckt und das Kaffeekochen übernommen.
    Hermine machte eine eher vage Bemerkung über Baltasars Gemütszustand. Yü schaute von seinem vierten Stück Pflaumentorte mit Sahne auf, kaute, schluckte, sah zuerst Hermine an, dann Matzbach, legte die Kuchengabel beiseite und reckte die Arme zum mattblauen Himmel.
    »Nutzlos? Ei freilich. Nutzlos und vollkommen überflüssig. Aber das wissen wir doch seit Jahren. Was ficht Euch an, Himmelsgeborener? Welche Sorte Laus ergötzt sich schlittschuhlaufend auf hochdero Leber?«
    Matzbach nahm einen tiefen Schluck aus seiner Nase. »Langeweile. Ich will nicht jammern, aber ich langweile mich. Keine pittoresken Morde. Keine regelmäßige Arbeit in verruchten Spelunken. Keine Schiffe zu versenken, den Kummerkasten habe ich vor langen Gezeiten abgegeben, weil in diesen würdelosen Tagen niemand meines Rates begehrt. So hocke ich zwischen Philosophen, setze Staub an, altere vor mich hin und fühle mich nutzlos. Und je älter ich werde, desto unwahrscheinlicher werden zwei Dinge: ein gutes Ende und ein bewohnbarer Staat.«
    Daniela tupfte ihre Mundwinkel mit einer Papierserviette ab, las den darauf befindlichen Spruch (jemand hatte eine Serie Servietten mit den schlechtesten Gedichten der deutschen Literaturgeschichte in Umlauf gebracht, vor allem Balladen von Schiller, diese auch noch extrem kleingedruckt, so daß man sich beim Lesen anstrengen mußte, um festzustellen, daß es nicht der Mühe wert war), ließ die gesäuberten Winkel sacken, bis tiefes Mitleid, zur Hälfte vermengt mit Hohn, aus ihrer Miene sprach, und schaute zu Hermine hinüber, die gleichmütig in ihrem Kaffee rührte.
    »Gibt er einen schlechten Prinzgemahl ab?«
    »Ach, er übertreibt ein bißchen. Alles halb so wild.«
    Daniela nickte. Mit inniger Wärme in der Stimme sagte sie: »Ja ja, die Andropause ...«
    Matzbach grinste. »Danke, ihr tut mir richtig gut. Zum Dank kriegt ihr heute abend sauren Wein und eine Pizza vom Schnelldienst. Ich baue darauf, daß ihr durch ein abstruses Dossier zur Minderung meines Makels beitragt.«
    »Abstrus wäre übertrieben.« Yü langte nach einer Plastiktüte, der er Zettel in vielen Farben entnahm. »Tragen wir zusammen? Oder hast du gar nichts rausgekriegt?«
    »Doch, aber fangt ihr an.«
    »Willst du alle Einzelheiten über die Beschaffung der Beute oder nur die Beute selbst?«
    Baltasar rang sich ein Stöhnen ab. »Sprich, holde Dolde des Orients. Sprich mir nicht von Telefonen, unterlaß Gesänge über Wanderschaften, verkneif dir heroisches Gebrüll, das von Unbill beim Schweifen künden soll, red einfach. Je kürzer je würzer, oder so ähnlich.«
    »Na gut.« Yü sortierte seine Zettel und sah Hermine an, die sittsam und geduldig (möglicherweise
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