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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord
Autoren: Gisbert Haefs
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Arm.
    »Der frühergeborene Herr Matzbach beglückt die Kreaturen der unteren Ebene«, sagte er. »Ach, könnte man das Tageslicht spleißen und daraus eine Girlande winden, flechten oder wickeln oder was immer man mit Girlanden anstellt, jedenfalls: um der hohen Ehre willen.« Er stellte den Bücherturm ab und breitete die Arme aus.
    Matzbach hob beide Hände, die Innenflächen nach vorn. »Hüte dich, mich etwa umarmen zu wollen. Du weißt, Intimitäten sind mir verhaßt.«
    »Es war nur, was Lao-tse die Gebärde einwilligender Entsagung nennt. Die fatale Urkraft des Schicksals zu bekräftigen, gewissermaßen, die diesen Tag zu einem macht, dessen Gleichmut und Heiterkeit bereits am späten Morgen zertrampelt wurden.«
    Baltasar senkte die Augen. »Falls du meine Füße meinst ...«
    »Ach hört doch mit dem Geschwätz auf. Willst du nen Kaffee?« Danielas Stimme kam von irgendwo weit hinten. Das Lokal, zuvor ein weitläufiger Tante-Emma-Laden, verfügte über mehrere Hinter-, Neben- und Unterräume.
    »Allezeit immer doch. Wo?«
    »Im Porno-Departement.«
    »Ei. Eijei.«
    »Das da«, sagte Yü mit einem Rucken des Hinterkopfs zum neuen Stapel auf dem Extratisch, »sind die ungesammelten Werke von Joseph Lauff. Bist du sicher, daß du den Kaffee nicht lieber neben ihm trinken willst?«
    »Der Himmel schütze mich vor preußisch-protestantischen Rheinländern.« Matzbach schüttelte sich. »Dann lieber Porno. Dabei werde ich erwägen, was auch ihr bisweilen bedenken solltet: Sexuelle Exzesse sind meistens nichts als sublimierte Askese.«
    »Jesses, du kannst aber schon was ganz schön Schweres so früh am Tag.« Danielas dunkles Kraushaar huschte die Oberkanten einiger Taschenbücher entlang; dann erschien die ganze Frau neben dem Regal.
    »Du siehst angenehm verlebt aus.« Matzbach streichelte ihre Wange. »Hat er seine Kampfsportlichkeit in die Nacht verlegt?«
    »Kaffee.« Sie deutete auf den kleinen, in seiner Scheußlichkeit jedoch fast erhaben riesigen Rattantisch, wo eine Thermoskanne nebst Bechern und Zubehör wartete. »Und noch so was, dann gibt’s sublimiertes Arsen dazu. Sublimierte Askese, bah.« Sie lächelte schief. Ihre weißen Zähne verschwanden schnell wieder hinter den vollen Lippen. »Und was treibt dich so früh am Morgen her?«
    »Meine dreiunddreißigkommadreidrei Prozent vom Laden und die Sorge um sie. Wann wird endlich die philosophische Abteilung ausgebaut?«
    »Sobald wir in dieser von fortschrittlichen Pädagogen verseuchten Gegend jemand finden, der Kant nicht in der englischen Schreibweise haben will.« Yü schob Matzbach zu einem der Plüschsessel, um an die Kanne zu kommen. »Wie Konfuzius bereits feststellte: Lehre die Alten, die es nicht verdienen, und achte die Lehrer ob ihres Verdienens.«
    »Du warst schon viel besser. Ist wohl noch zu früh.« Matzbach ließ sich nieder und schielte auf die blaßblauen Wandkacheln, die zwischen zwei Regalbrettern der Abteilung Erotik eher zu ahnen als zu sehen waren. »Die Ecke war früher der Kühlraum für Milch und derlei, oder? Und in der Kühlbox stehen heute die heißen Bücher? Habt ihr euch dabei etwas gedacht?«
    Daniela Dingeldein stöhnte. »Wenn die wenigstens heiß wären ... Hin und wieder blättert man ja mal, in der Hoffnung, was Neues zu lernen. Aber.« Sie rümpfte die Nase.
    »Nimm es als Bestätigung deines Wissens. Vielleicht gibt es da nichts, was dir noch fremd wäre.«
    Yü klatschte. »Ihr träufelt Balsam in allerlei Ohren, die dessen nicht bedürfen. Seid Ihr nur gekommen, um Unsinn zu reden?«
    »Neulich«, sagte Matzbach, »hörte ich eine junge Person zu einer anderen jungen Person sagen: Laber keinen Dreck. Meinst du das?«
    »Treffliche Auslegung meiner Worte.« Yü verneigte sich grinsend.
    »Madame Hermeline entbietet Grüße, und wann man euch mal wieder in Brenig sähe?«
    »Entbietet sie das? Tja, wann?« Der Chinese sah Daniela an.
    »Trinken bis zum Frühstück? Och ... Am Wochenende? Wenn wir nicht morgens bedrucktes Papier verkaufen müssen?«
    »Ich gebe das weiter.« Matzbach nahm einen lauten Schluck aus dem Kaffeebecher. »Nun lauschet, o ihr Holden. Es hat sich eine Leiche ereignet.«
    Ohne allzu ausladendes Schweifen berichtete er von Komareks Besuch, Hermines Portraitbüste und dem verblichenen Czerny.
    »Sieht eher langweilig aus«, sagte Yü, als Baltasar endlich schwieg. »Die bisherigen Nummern, also, die beiden jedenfalls, an denen ich mitverdient habe, waren spannender. Glaube
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