Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmetterlingsschatten

Schmetterlingsschatten

Titel: Schmetterlingsschatten
Autoren: Veronika Bicker
Vom Netzwerk:
arrogant. Jeder weiß doch, dass Laura stockbesoffen war, als sie den Unfall hatte. Ihr seid auch nicht so viel besser, wie ihr immer tut.« Damit wirbelte sie so rasch herum, dass ihre langen Haare Elena ins Gesicht peitschten, und stolzierte davon. Nachdenklich sah Elena ihr hinterher. Stockbesoffen? Der Polizist hatte zwar damals etwas von Alkohol gesagt, aber eigentlich konnte sich Elena ihre Schwester nicht betrunken vorstellen. Dafür war sie viel zu vernünftig gewesen.
    Warum hatte sie sich wohl betrunken? Und mit wem? Und warum hatte sich Elena noch nie darüber Gedanken gemacht? Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Diese blöde Bemerkung brachte alles wieder durcheinander. All dieses Rätseln brachte Laura schließlich nicht zurück.
    Entschlossen, nicht weiter darüber nachzudenken, setzte sie ihren Weg nach Hause fort.
    »Meine Nachhilfeschülerin kommt heute nicht, wollen wir in die Stadt?« Vivienne redete los, kaum dass Elena sich gemeldet hatte. Sie klang aufgekratzt. Elena zögerte. Sollte sie Vivienne erzählen, dass sie sich mit Tristan verabredet hatte? Dunkel konnte sie sich erinnern, dass Vivienne Tristan einmal als »aufgeblasenen Breitmaulfrosch« bezeichnet hatte. Damals hatte Elena gelacht.
    »Das geht leider nicht«, antwortete sie unsicher.
    »Ach komm schon, jetzt sag nicht, dass dir diese blöde Sache mit dem toten Mädchen immer noch auf der Seele liegt. Lass doch die Idioten einfach reden!«
    Elena verdrehte die Augen. Wie Vanessa gerade noch bewiesen hatte, sprach das Dorf seit Tagen von nichts anderem mehr als von dem toten Mädchen. Sie war allgegenwärtig. Elena konnte nirgendwohin gehen, ohne dass irgendwelche Leute darüber diskutierten, woher das Mädchen gekommen und was ihr zugestoßen war. Niemand wusste, wer das Auto gefahren hatte, durch das die Ausreißerin zu Tode gekommen war. Niemand wollte sie gesehen haben. Niemanden schien es zu kümmern, dass ihr Leben beendet worden war. Sie war nicht aus dem Dorf, eine Außenseiterin. Nur ein Fall. Ihr Tod diente als willkommene Abwechslung in der sommerlichen Langeweile des Dorfes. Elena widerte das an.
    Noch schlimmer war es geworden, als in den nächsten Tagen bekannt wurde, dass das Mädchen schon vor etwa einem Jahr umgekommen war. Von diesem Zeitpunkt an war es mehr als nahe liegend, eine Parallele zu dem Unfalltod von Laura Henn vor einem Jahr zu ziehen. Zwar war Laura nicht von einem Auto überfahren worden, sondern hatte ihren Motorroller in voller Geschwindigkeit gegen einen Baumstamm gesetzt, doch solche Nebensächlichkeiten fielen neben der Übereinstimmung von Zeit und Ort der Unfälle gar nicht ins Gewicht. Seitdem fühlte sich Elena, wo immer sie auch hinging, von Blicken verfolgt.
    »Du hast leicht reden«, antwortete sie Vivienne, insgeheim ganz froh, dass sie nichts von dem Treffen mit Tristan sagen musste. »Dir schauen sie ja nicht nach. Ich kann dieses aufgesetzte Mitleidsgetue überhaupt nicht mehr haben. Ständig fragt mich irgendjemand, ob mit mir alles in Ordnung ist, dabei wollen sie nur irgendwelche Einzelheiten erfahren. Erst Bachmanns . . .«
    »Ach, lass die doch, die mischen sich doch ständig ungefragt ein!« Viv schnaubte.
    »Na ja, aber ich muss an ihrem Garten vorbei, wenn ich nach Hause will. Die haben sich absichtlich in den Garten gestellt und mir nachgesehen, da wette ich drauf. Und dann kommt gestern auch noch unsere Putzfrau zu mir ins Zimmer und fragt, ob es mir gut geht. Und vorhin war es Vanessa. Widerlich. In der Schule ist es ja auch nicht besser. Immer diese Blicke, als ob ich etwas über diese Leiche wissen würde.« Elena kaute halb zornig, halb traurig auf ihrer Unterlippe.
    »Nun komm schon, du kannst dich nicht ewig im Haus vergraben, das macht es auch nicht besser. Lass uns in die Stadt fahren, da kennt dich keiner!«
    »Ne, geht echt nicht«, murmelte Elena verlegen. »Ich würde wirklich gerne«, fügte sie noch rasch hinzu.
    »Wieso? Macht deine Mutter wieder Stress?«
    Elena lächelte flüchtig. Sie hatte ihrer Mutter telefonisch Bescheid gesagt, dass sie zu Vivienne wollte. Die Hochstimmung nach Papas Anruf schien noch anzuhalten, denn sie hatte nicht widersprochen. »Nein, mit Mama ist alles okay. Ich… ich wollte mich nachher mit Timo treffen«, schwindelte sie.
    »Ach, der kann mitkommen in die Stadt«, erwiderte Vivienne sofort.
    Elena zögerte nochmals. »Eigentlich… wollte ich mich alleine mit ihm treffen«, wich sie aus.
    Für einen Augenblick schwieg Viv, dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher