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Schmetterlingsschatten

Schmetterlingsschatten

Titel: Schmetterlingsschatten
Autoren: Veronika Bicker
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eine Sekunde, um das dichte rotbraune Haar, den schlanken, sportlichen Körper und die schwarzen Klamotten einzuordnen. Tristan. Der Schwarm aller Mädchen der Schule. Der aus der großen Stadt nach Frankenach gekommen war.
    Er war siebzehn, so alt, wie Laura jetzt gewesen wäre, und hatte Elena bisher keines Blickes gewürdigt. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass er ihren Namen kannte. Immerhin musste sie weit unter seiner Würde sein. Was der wohl von ihr wollte?
    Sie hakte die Daumen in den Hosenbund, wie Vivienne es getan hätte, und bemühte sich, möglichst gelassen auszusehen. Tristan rannte nicht gerade, aber er ging ziemlich schnell. Erst bei den letzten paar Schritten wurde er langsamer, blieb schließlich stehen und fuhr sich verlegen durch den Haarschopf.
    »Was gibt’s?«, fragte Elena beiläufig, als würde sie jeden Tag von Oberstufenjungs angesprochen.
    Tristan lächelte. Er hatte ein schmales Gesicht, eine etwas spitze Nase mit einigen Sommersprossen darauf und dunkelbraune Augen, die glänzten, wenn er lächelte. Elenas Magen zog sich zusammen. Sie konnte verstehen, warum die älteren Mädchen bei ihm Schlange standen. Die Einzige, die sich nichts aus ihm zu machen schien, war Vivienne. Immer wieder einmal machte sie spöttische Bemerkungen über die »dummen Gänse«, die »allem nachlaufen, was ein bisschen männlich ist«. Elena hatte ihr stets zugestimmt, aber trotzdem heimlich zu Tristan gesehen, wenn er zufällig an ihr vorbeiging.
    »Tja, ich hab dich grade auf dem Hof gesehen. Und da ist mir eingefallen, dass ich dich eigentlich schon lange etwas fragen wollte.« Er sah wirklich verlegen aus, beinahe schüchtern.
    »Was fragen?« Elena musterte ihn skeptisch. Würde er sie auf Laura ansprechen? Konnten die Leute an nichts anderes denken?
    Tristan schien sich wieder gefasst zu haben. »Also, ich wollte wissen, ob du vielleicht Lust hast, mit mir ein Eis essen zu gehen oder so.«
    Überrascht starrte Elena ihn an. Hatte sie richtig gehört? Der bestaussehende Junge der Schule wollte sie auf ein Eis einladen? Sollte das ein Witz sein?
    Sie blickte sich unsicher um. Tristan war alleine. Keiner aus seiner Clique war zu sehen.
    »Also?« Jetzt sah er wieder nervös aus.
    Elena überlegte. Eigentlich hatte sie sich mit Timo treffen wollen. Aber das hatte sich ja erledigt. Vivienne musste Nachhilfe geben und hatte keine Zeit. Warum also nicht?
    »Okay«, erwiderte sie und hoffte, dass er nicht merkte, wie überrascht sie war. »Hast du heute Zeit?«
    Tristan warf einen Blick zum Schulhaus zurück. »Ich hab noch diese Stunde Unterricht. Aber danach hab ich Zeit. Treffen wir uns um drei in der Eisdiele?«
    Elena nickte und versuchte, sich ihren wilden Stolz nicht anmerken zu lassen.
    »Dann bis nachher.« Und schon war er wieder weg.
    Kopfschüttelnd drehte Elena sich um und machte sich auf den Weg nach Hause.
    Auf dem Heimweg kam sie an der Buchhandlung vorbei, in der ihre Mutter arbeitete. Als könne sie Elenas Gegenwart spüren, blickte sie von der Theke auf und starrte durch das Schaufenster hinaus. Elena winkte ihr zu. Beinahe schüchtern lächelte sie und winkte zurück. Zwei Tage lang hatte sie Elena nicht aus den Augen gelassen, nachdem sie zu Vivienne abgehauen war, dann aber hatte Papa aus Afrika angerufen und danach war Mama immer so entspannt, dass sie fast allen Ärger vergaß.
    »Na, noch immer an Mamas Rockzipfel?«
    Elena drehte sich betont gelassen um, reckte das Kinn in die Höhe und sah Vanessa fest in die Augen. »Was willst du?« Aus den Augenwinkeln versuchte sie zu erkennen, ob Vanessa ihre Freunde mitgebracht hatte, aber sie war alleine. Sie hatte sich verändert seit der Grundschule. Angepasst vielleicht. Früher war sie eher schüchtern gewesen, aber jetzt endeten die Beine ihrer knallengen Jeansshorts direkt unterhalb des Pos und der Ausschnitt ihres Tops reichte so tief hinunter, dass kaum noch etwas verborgen blieb. In einer Hand hielt sie demonstrativ eine Zigarette, die andere spielte mit dem Ring in ihrem Bauchnabel. Sie musterte Elena neugierig, zog an der Zigarette und blies ihr den Rauch ins Gesicht.
    »Hast du keine Angst, hier alleine herumzulaufen, wenn da draußen doch jemand kleine Mädchen wie dich umbringt? Bist du deswegen zu Mami gelaufen?«
    Elena unterdrückte den Impuls, sie von sich zu stoßen, und bemühte sich stattdessen um ein überlegenes Lächeln.
    »Als ob du älter wärst als ich. Auch wenn du so rumläufst, als wärst du es.«
    »Tu nicht so
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