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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren
Autoren: C. Bertelsmann
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cool. Denk mal an Tokio-Hotel oder an Wir sind Helden, denk an die Ärzte oder die Toten Hosen«, ereifert sich Tom.
    »Ja, und ich denke an Reinhard Mey und an Florian Silbereisen und an Nicole.«

    »Als gäbe es keine peinlichen englischen Bands«, sagt Tom eingeschnappt.
    Er muss heute ein bisschen viel einstecken.
    »Wir können auf Deutsch einfach besser texten. Und deutsche Songs können super cool sein. Uns muss halt nur das Richtige einfallen«, vermittelt Benny.
    Ich seufze.
    »Mond‹ und ›lohnt‹ ist für mich jetzt nicht der Bringer. Wie soll es denn weitergehen?«
    »Wir hatten irgendwie an ›Sterne‹ und ›Ferne‹ gedacht«, antwortet Benny vorsichtig.
    Ich muss total lachen.
    »Wieso nicht ›Himmel‹ und ›Pimmel‹?«
    Die beiden müssen plötzlich auch grinsen.
    Wir versuchen es noch eine Stunde. Aber irgendwie fallen uns immer nur Reime ein, die absoluter Schwachsinn sind. Irgendwann springt Tom auf.
    »Ich kann nicht mehr, gebt meinen Bass mir her.«
    »Klar, ohne Bass fehlt uns was«, grinse ich zurück.
    Er hat mir meine Beleidigung von vorhin verziehen. Wir beauftragen einfach Benny mit der Textsuche und stöpseln die Verstärker ein. Und dann spielen wir unser ganzes Repertoire ohne Pause runter. Das macht den Kopf frei.
     
    Katharina hat echt einen Schatten. Mir ist das vorher gar nicht so aufgefallen, wie schräg die drauf ist. Ihr Etui muss immer oben rechts auf dem Tisch liegen. Genau in der Ecke. Und jedes Mal, wenn sie einen neuen Stift braucht, macht sie den ganzen Reißverschluss auf. Um beide Ecken, bis zum Ende. Dann wird der alte Stift reingeklemmt, der
neue Stift rausgezogen und das Etui wieder - sssssssssst - geschlossen und oben rechts in die Ecke gelegt. Die ganze Prozedur wiederholt sie alle fünf bis sieben Minuten. Wenn die Zähne des Reißverschlusses surren, muss ich meine echt aufeinanderpressen. Ganz fest. Am besten mit einem kleinen Stück Lippe dazwischen. Sonst halte ich es echt nicht aus. Neben dem Etui steht immer ein kleines Trinkpäckchen. Selbst wenn das Ding leer ist, saugt sie noch ewig an dem Strohhalm. Das gibt ein ganz fieses Geräusch. So eklig schlürfend. Röchelnd. Wie ein sterbendes Tier, denke ich manchmal und die Bilder dazu in meinem Kopf machen mir Angst. Neben dem Trinkpäckchen liegt ein Plüsch-Engel. Dreckiggelb und verfilzt. Irgendwann bin ich mal zufällig an das versiffte Teil gestoßen und der Engel ist runtergefallen.
    »Pass doch auf! Mein Schutzengel«, hat Katharina gekreischt.
    »Ist ja ein toller Schutzengel, auf den ich aufpassen muss«, hab ich nur geantwortet.
    Was mich richtig kirre macht, ist aber, dass Katharina ihre Tasche links von sich stehen hat. Also zwischen uns. Das macht niemand! Immer wenn sie was rausholen muss, habe ich ihre ganzen Haare bei mir auf der Jacke oder auf dem Bein. Manchmal hat sie auch einen Pferdeschwanz. Irgendwann hängt sie samt Pferdeschwanz über ihrem Tornister, guckt zu mir hoch und fragt mich: »Brauchst du auch ein Tempo?«
    »Hab ich einen Popel an der Nase?«
    »Nein, ich dachte nur.«
    Und die ganze Zeit muss ich auf ihre Brust gucken. An
ihrem Kinn vorbei weiter nach unten. Ich kann irgendwie gar nicht wegsehen. Echt viel Fleisch. Habe Schiss, dass gleich noch ihre Brustwarzen rausrutschen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, sie will, dass ich hingucke. Und ich muss es immer wieder. Von vorn sieht es ja nicht nach so viel aus. Aber von der Seite sind das echt dicke Dinger. Außerdem kann man sehen, wie sich unter dem T-Shirt ein BH in das Fleisch drückt. Das muss doch total wehtun.
    Die andern in der Klasse kriegen das natürlich alle mit. Dass Katharina mir andauernd irgendwelche Bonbons aus den Tiefen ihrer Tasche anbietet oder ihr da unten einfällt, dass sie wissen will, wie spät es gerade ist. Echt peinlich. Vielleicht sollte ich mich doch einfach neben Johanna setzen. Dümmere Sprüche kann ich dafür auch nicht kassieren.
     
    Die große, schwere Eisentür zu meiner Skateboardhalle ist verschlossen. Immer wieder rüttel ich an der Klinke. Die stand doch immer offen. Ich bin fassungslos, umrunde die Halle, ob irgendwo noch eine andere Tür ist. Durch die schmutzigen Fenster kann ich meinen Slalom-Parcours sehen. Es ist alles noch so, wie ich es letzte Woche zurückgelassen habe. In der Ecke sehe ich auch die Plastiktüte mit meiner alten Hose und dem alten Pulli. Wütend drücke ich gegen die Fenster. Hoffe, dass eines vielleicht nur angelehnt ist. Natürlich hab
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