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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren
Autoren: C. Bertelsmann
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»Hab ich vergessen.« Noch alberner finde ich, mit hektischer Krakelschrift in irgendwelchen Fünfminuten-Pausen was abzuschreiben. Man weiß ja meist nicht mal, ob es stimmt, was man da abschmiert. Und oft kann man’s zehn Minuten später schon selbst nicht mehr lesen, weil man derart gekritzelt hat. Da setze ich mich lieber zu Hause hin und mach den Mist eben. Das heißt aber auch, dass ich es heute zum Hockey nicht schaffe. Das ist auch okay.
     
    Mit Philipp zusammen hat es Spaß gemacht. Dabei hatten wir eigentlich beide am Anfang null Bock auf diesen merkwürdigen Sport. Für mich war das der absolute Alt-Männer-Quark. Mit gebücktem Rücken und einem umgedrehten Spazierstock über ein Feld rennen! Als Philipp und ich das im vergangenen Sommer auf einem Sport-AG-Tag ausprobiert haben (die Fußball- und Schach-AG waren schon voll), musste ich aber echt staunen. Es macht Bock. Ist viel anstrengender, als es aussieht. Außerdem muss man ein bisschen mit Köpfchen spielen. Das ist nicht so
ein Gebolze wie beim Fußball. Wir haben uns gleich in der Woche nach dem AG-Tag im Verein angemeldet. Ich bin hängender Rechtsaußen. Die letzten Male allerdings musste ich mir anhören, ich wäre ein abhängender Rechtsaußen und würde mich überhaupt nicht bewegen. Außerdem hat mich das Gelaber in der Umkleidekabine genervt. Als ich noch mit Philipp quatschen konnte, ist mir nicht aufgefallen, was da für ein Unsinn gefaselt wird...
    Ich bin mittlerweile an den Verladekränen und den großen Hallen. Dazwischen komme ich mir vor wie ein Playmobil-Männchen auf Reisen. Alles ist XXL. Ich fahre zwischen den Schienen der Verladegleise. Das ist besonders kribbelig. Wenn man mit den Rollen reingerät, bremst man mit dem Gesicht.
     
    Es hat mich weit rausgetrieben. Ich bin erst um vier völlig atemlos zu Hause.
    Meine Mutter kommt mir sofort entgegen.
    »Hast du in der Schule gegessen? Hattest du mir vorher gar nicht gesagt, oder? Ich fahre gleich noch in die Stadt. Ich kann dich mit zum Training nehmen, dann musst du nicht den Bus nehmen. Um halb fahren wir.«
    »Ich muss noch Hausaufgaben machen.«
    Sie mustert mich genauer.
    »Was hast du denn bis jetzt gemacht? Ich dachte, du warst in der Schule in der Hausaufgabengruppe. Hast du auch noch nichts gegessen?«
    »Doch, doch. Gegessen hab ich da noch«, lüge ich. »Aber dann bin ich mit dem Skateboard los und hab mich irgendwie verfahren.«
    Meine Mutter prüft meine Worte. Lässt sie in ihren Ohren
nachklingen. Das hasse ich. Wenn sie mich einfach weiter ganz ruhig anguckt, nichts sagt und abwartet. Ich halte ihren Blick aus. Nach einer gefühlten Ewigkeit nickt sie langsam.
    »Dann viel Spaß bei den Hausaufgaben. Wir sehen uns beim Abendessen.«
     
    Zum Abendessen gibt es nicht nur die Reste von der Party, sondern auch Fotos davon. Sie riechen noch nach Drucker. Meine Mutter legt sie mir neben den Teller.
    »Vielleicht kannst du ja Philipp ein paar schicken. Da freut er sich bestimmt.«
    Klar. Philipp wird sie sich direkt übers Bett hängen. Oder vervielfältigen für seine neuen Kumpels.
    »Hier, guckt mal. DerTyp mit dem Seitenscheitel und den blonden Haaren, das ist mein ehemaliger bester Freund Ben.«
    Meine Mutter guckt mich immer noch an.
    Ich drehe die Fotos mit der weißen Seite nach oben, lasse die Hand darauf liegen und beruhige sie.
    »Mach ich morgen. Super. Danke.«
    Meine Mutter fixiert meine Hand. Die abgekauten Nägel. Die kleinen blutigen Risse drum rum. Ich balle eine Faust.
     
    Was soll Philipp mit Bildern von meinem Geburtstag? Er war oft genug selber dabei. Er weiß, wie es abläuft. Dieses Jahr war es halt noch ein bisschen lauter und länger als sonst. Und? Interessiert ihn das? Wohl kaum. Und wenn ich ihm schreibe, wie Benny sich zwischen die Cola-Flaschen geworfen hat? Klingt dann wie ein Aufsatz zu »Mein witzigstes Wochenenderlebnis«. In meinem Zimmer lege
ich die Fotos hinten in eine Schublade. Wenn es Philipp überhaupt noch interessieren würde, was hier so läuft, würde er doch mal anrufen oder schreiben. Zumindest mal eine SMS, oder? Er ist doch weggezogen. Außerdem hatte ich ihm am letzten Tag ja gesagt: »Ich rufe nicht an. Ist klar, oder?« Philipp hatte genickt.
     
    Am nächsten Morgen lege ich meiner Mutter einen Zettel hin. Sie ist schon weg, arbeitet drei Tage in der Woche im Krankenhaus und muss irre früh los.
    »Ich esse in der Schule! Mache da auch Hausaufgaben! Bin um vier wieder hier! Ben!«
    Nicht, dass sie wieder
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