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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road
Autoren: Tom Piccirilli
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es stärker und gab sich zu erkennen. Flynn existierte nicht mehr, aber seine erbärmliche Hoffnung war noch da. Sie überspannte Grenzen. Sie war alles, was geblieben war, nachdem sein Herz aufgehört hatte zu schlagen.

    Er fuhr die Straße zu seinem früheren Ich zurück. Sein Fuß klebte am Gaspedal, er brach aus den Tiefen des Todes hervor und machte seinen ersten Atemzug seit fast einer halben Stunde.
    Es dauerte ziemlich genau achtundzwanzig Minuten, bis sein Körper durch das Loch im Eis wieder an die Oberfläche kam – eine Eins-zu-einer-Million-Chance – und sie ihn aus dem Wasser holten und ihm Adrenalin direkt in sein kaputtes Herz spritzten, ihn verkabelten und zurück ins Leben katapultierten.
    Irgendwelche Augen, die sich umsahen.
    Es waren seine eigenen. Er konnte die Welt nicht länger aussperren. Eine Welle der Erinnerung überkam ihn, sein Name fiel ihm wieder ein, aber nicht, warum er hier war.
    Er sah in ein rundes, erwartungsvolles Gesicht, das er für Gott hielt. Ein seltsamer Gedanke, dass Gott aussah wie ein Glatzkopf mit aufgedunsenem Gesicht, der nach Hamburger und Tabasco roch.
    Gott sah ihn mit einem Zahnlückenlächeln an und sagte: »Sie sind der verdammt noch mal größte Glückspilz, von dem ich je gehört habe. Von Ihren Schutzengeln haben sie uns in St. Vincent nichts erzählt, das kann ich Ihnen sagen.«
    Flynn war überrascht, dass Gott so ungesittet daherredete, aber vielleicht war das ein Überbleibsel aus der Philisterzeit, als man die Heiden abgeschlachtet und die Ägypter plattgemacht hatte. Flynn drehte den Kopf und sah, dass er in einem Krankenwagen lag. Er hatte einen Schlauch im Arm. Rot und blau blinkende Lichter flackerten durch die offene Tür, stoische
Polizisten standen herum und blickten in seine Richtung.
    Gott entpuppte sich als Rettungssanitäter. Er grinste immer noch, während er einen zweiten Plastikschlauch in Flynns Nase einfädelte.
    In dieser ersten Minute nach dem, was manche seine wundersame Wiederauferstehung nennen würden und was Flynn seine Heilige-Scheiße-ich-bin-nicht-tot -Offenbarung nannte, fühlte er sich wie früher nach einer einwöchigen Sauftour. Es war wie ein Kurzschluss in seinem Gedächtnis, der die Erinnerungen aus weiter Ferne hervorholte. Er sah Dannys Stirn auf dem Lenkrad liegen. Neben ihm war Patrizia Waltz mit dem Kopf durch die Beifahrerscheibe geknallt, das rechte Ohr war abgetrennt, und das Blut tropfte über die Au ßentür.
    Er sah Mariannes Gesicht, zu Beginn und zum Ende ihrer Ehe. An dem Abend, als er ihr den Antrag machte, ihr am Rockefeller Center den Ring hinhielt, ein paar Stunden nachdem sie den großen Baum angezündet hatten. Wie sie zusammen Schlittschuh liefen – Eis, wieder Eis -, wie sie herumglitt in seinen rechten Arm und er die Schachtel mit dem Ring in der linken Hand hielt und sie heimlich hervorholte, um sie zu überraschen. Sie machte große Augen, und dann sprang sie auf ihn und sie landeten beide auf dem Hintern. Der Ring hüpfte ihm aus der Hand, sie hechtete hinterher, um sie herum dicke Kinder mit Brezeln und japanische Touristen, die Achten fuhren und Fotos machten. Sie fiel auf seine Brust und zog den Ring auf, er hielt sie fest und dachte, dies sind die Momente, für die man
lebt. Sie gab ihm einen Kuss, der sich anfühlte, als würde er nie enden. Er hörte einfach nicht auf, sein Hinterkopf fror fast am Boden fest, aber seine Lippen und sein Herz brannten vor Hitze. Es war der beste Kuss seines Lebens.
    Dann sprang er ein Stück weiter vor, als er sie nackt von den Lenden eines Typen namens Alvin klettern sah. Marianne stellte ihn sogar noch vor, Das da ist Alvin. Dann Alvin, der nach seiner Hose griff, die ordentlich gefaltet über Flynns Schreibtischstuhl lag. Alvin stand auf scharfe Falten. Alvin, der rief, Oh Mann, ich wusste das nicht, sie hat, sie hat mir nichts davon gesagt. Natürlich hatte sie das nicht. Marianne musste eine Beziehung mit dem größtmöglichen Paukenschlag beenden. Sie hatte Flynn angebrüllt und ihm die ganze Schuld gegeben, während er Alvin ansah und Mitleid mit diesem kleinen Scheißer hatte, dem sein Schniedel aus der Hose hing.
    Als wäre das Leben nicht hart genug, musste man seine Frau mit irgendeinem Kerl im Bett erwischen und ihm auch noch sein letztes bisschen Sympathie schenken. Flynn schmeckte Rum. Die Vergangenheit zwickte und rumorte in ihm. Er sah misshandelte und tote Kinder, die in sorgfältig verschlossenen Fächern tief hinten in seinem Kopf
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