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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road
Autoren: Tom Piccirilli
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verstaut waren. Sein eigener Tod hatte all diese Schlösser gesprengt.
    »… das Mädchen?«, flüsterte Flynn.
    »Nicht sprechen.«
    Jesus, der Tabascogestank brannte wie ein Hochofen. Flynn betete innerlich, dass er stabilisiert war, denn wenn der Mann ihm eine Mund-zu-Mund-Beatmung
verpasste, würde sein Herz womöglich wieder stehen bleiben. »Sagen Sie es mir.«
    »Mund halten, hab ich gesagt. Ihr kommt von den Toten zurück und wollt einem immer gleich ein Ohr abkauen. Es geht ihr gut. Sie hat nicht einen Kratzer abbekommen. Ich hab sie beide untersucht. Sie und der Hirni trinken Kakao. Sie werden ein paar Tage zur Beobachtung in Stonybrook bleiben. Ich bringe sie gleich hin, sobald ich mit Ihnen fertig bin.«
    »Die Polizei …«
    »Die haben eine Menge Fragen an Sie, so viel ist schon mal sicher. Es gibt Zeugen, die einen Teil der Tragödie mit angesehen haben – wie Sie geschlittert sind, und dass der SUV Sie verfolgt hat.«
    »Sie wollte uns umbringen …«
    »Sparen Sie sich das für die Polizei auf, okay? Die werden an Ihrem Fall dran sein, wenn Sie aus dem Krankenhaus kommen.« Das Lächeln verschwand, als der Sanitäter sich vorbeugte und sein scharfer Atem ihm wie eine offene Flamme entgegenschlug. »Und jetzt legen Sie sich einfach ein bisschen zurück, Mr Miracle, ja? Ich hole nicht jeden Tag einen Toten aus der Hölle. Ich freue mich darüber, also versauen Sie mir das nicht. Ich will auf keinen Fall denken müssen, dass Sie der Mutter das Kind gestohlen haben und die gute Frau dafür gestorben ist, verstehen Sie? Also halten Sie den Mund und lassen Sie mich meine Arbeit machen. Um das andere kann sich die Polizei kümmern.«
    Er schob Flynn in den Wagen, wo ihn ein zweiter Sani entgegennahm und ihm Fragen stellte. Wie er hieß. Wann er geboren war. Flynn reckte den Hals und sah
das Dickerchen mit dem Tabascoatem in einen anderen Krankenwagen klettern, wo Kelly und Nuddin in Decken gewickelt heißen Kakao tranken.
    Flynn nannte seinen Namen und seinen Geburtstag. Die Türen schlugen zu, der Sani rief dem Fahrer über die Schulter zu, er solle losfahren. Der Motor brummte und klopfte laut. Er brauchte dringend einen Ölwechsel, es fehlte mindestens ein Viertel. Die Sirene jaulte. Als sie scharf rechts abbogen, fiel alles aus den Regalen und verteilte sich auf dem Boden.
    Er lebte.
     
    Nachdem ihn am nächsten Morgen zwei hartnäckige Polizisten in die Mangel genommen hatten, hörte Flynn Sierra, seine Chefin, auf ihren Acht-Zentimeter-Absätzen über den Flur klackern. Er stellte sich vor, wie ein Komapatient nach fünfzehn Jahren von diesem Geräusch aus dem Schlaf gerüttelt wurde.
    Sierra stürmte mit einem Kaktus in der Hand herein. Genau das richtige Geschenk für jemanden, der gerade von den Toten zurückgekehrt war, ein Kaktus. Wie auch immer. Sie knallte ihn auf die Fensterbank und sah Flynn daliegen in seinem fluffigen Krankenkittel, einen Katheter im Schwanz und einen Beutel mit blutigem Urin an der Seite. Statt das widerliche Zeug besser zu verstecken, hielten sie es den Leuten direkt vor die Nase, nur, um ihnen den Appetit zu verderben.
    Sierra beugte sich vor und sah ihm direkt in die Augen. »Die meinten, du könntest einen Hirnschaden haben. Stimmt das?«

    »Kann gar nicht anders sein«, antwortete Flynn. »Ich dachte eben kurz, du sähest toll aus.«
    »Lieber Himmel, du musst ja ganz schön im Arsch sein. Vielleicht habe ich einfach zu hohe Ansprüche an einen Mann. Ich sollte mich wohl mal lieber unter den Patienten umsehen statt unter den Chirurgen.«
    »Am besten unter den Hirntoten. So einer wäre wahrscheinlich der Richtige für dich.«
    Sierra Humbold war fünfzig und sah aus wie sechzig, da die plastischen Eingriffe zum Teil fehlgeschlagen waren. Dank eines zerschmetterten Wangenknochens saß ihr linkes Auge ein Stück tiefer als das rechte. Ein Mundwinkel hing runter, sodass man dauernd ein paar ihrer stumpfen Zähne sah. Seit ihr jemand einen Schlag auf den Kopf verpasst hatte, trug sie alle paar Wochen eine neue Perücke. Wahrscheinlich hatte sie diverse Narben, vielleicht sogar die eine oder andere Metallplatte darunter. Kleinere Stiche und Bisswunden zierten ihre Handrücken. Das Leben hatte Furchen in ihrem Gesicht hinterlassen, und nicht wenige davon stammten von Messern. Wie eine Kartografie ihrer Vergangenheit.
    Sie brachte etwa zweihundert Pfund harte Muskelmasse auf die Waage und konnte einem Nilpferd in den Arsch treten, weswegen Flynn sich lieber nicht die
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