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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung!
Autoren: Gisela A. Erler
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nicht in Deutschland; ich übernahm die wichtigsten Bausteine des amerikanischen Vorreiters zu diesem Thema: »Work-Family-Directions« in Boston – ebenfalls eine Gründung durch eine Frau, Fran Rogers, die wie ich ihre Prägung in den 1 960 er-Jahren erhalten und ihre Ideen im Auftrag von IBM und der Telefonfirma ATT im ganzen Bereich der USA umgesetzt hatte.
    Die Bereitschaft, soziale Dienste für Familien im Auftrag von Großunternehmen anzubieten, setzte die Überwindung von Vorurteilen auf beiden Seiten voraus. Nicht viele Sozialwissenschaftler oder Praktiker der Jugendhilfe konnten sich 1 991 einen solchen Zugang zum Thema Familienpolitik vorstellen. Aber es fiel mir als Frau doch leichter, die Barrieren zwischen Sozialarbeit und Unternehmen, sozialem Engagement und Gewinnorientierung, von reiner Wissenschaft und gezielter Auftragsarbeit aufzuweichen. Noch immer stößt dieses Vorgehen sowohl auf Bewunderung als auch auf grundlegende wirtschaftskritische Skepsis.
    Es waren zunächst, Anfang der 1 990 er-Jahre, überwiegend Frauen in Unternehmen bundesweit, die über Presse und Mundpropaganda vom Münchner »Kinderbüro« gehört hatten und sich an uns wandten – Personalreferentinnen in öffentlichen Banken, die Gleichstellungsbeauftragte einer Fluggesellschaft, die beiden Sozialarbeiterinnen eines Pharmaunternehmens. Doch bald erreichte die Kunde von dieser neuartigen und, im Unterschied zu einer Kinderkrippe, eher kostengünstigen Dienstleistung auch männliche Führungskräfte, und einige Unternehmen boten sich an, als Werbeplattform für den Start einer Filiale im jeweiligen Standort zu fungieren und aktiv weitere Kunden mit uns zu suchen, denn eine Erweiterung des Abnehmerkreises machte die Dienstleistung auch für sie deutlich günstiger. 2
    Meine eigene Motivation für die Unternehmensgründung lag vor allem in meiner Leidenschaft für eine bessere Familienpolitik zugunsten erwerbstätiger Familien. Mein langjähriges Tätigkeitsfeld im Deutschen Jugendinstitut wurde mir zu eng; ich hatte dort seit 1 974 spannende Projekte wie das Modellprojekt »Tagesmütter«, wissenschaftlich und praktisch begleitet, nun wollte ich unsere Ergebnisse aus vielen Jahren Forschung zum Thema Familie und Arbeitswelt, in West- und Osteuropa und den USA , stärker praktisch umsetzen, den lähmenden Stau an moderner Familienpolitik in Deutschland mit aufbrechen, anderen Müttern und Vätern die Erwerbstätigkeit erleichtern. Angesichts verkrusteter Machtstrukturen in den Parteien, verstockter kommunaler Bürgermeister und Stadträte, tatenloser Jugendämter, fundamentaler Bedenken von Kinderärzten, Medien und Kirchen, angesichts des Widerstands der großen Träger Caritas und Diakonie, wurden die Unternehmen die wichtigsten Partner für eine Ausdehnung der ganztägigen Betreuung in allen Altersstufen – besonders aber für Kinder unter drei Jahren. Die Familienministerinnen Renate Schmidt und Ursula von der Leyen nutzten nach 200 0 dies dann für eine effektive Bündnispolitik und für gesetzliche Veränderungen, die einer kleinen Revolution gleichkamen. Vergessen wir nicht: Vor dem Mauerfall war die Familienpolitik, die in Westdeutschland fest auf dem Alleinverdiener-Modell beruhte, das zentrale ideologische Unterscheidungsmerkmal zwischen Ost und West. Nach der Wende wurde deutlich, dass das Ost-System der Betreuung von Kindern und die Erwerbsarbeit von Müttern viele Vorteile aufwies. Etliche Menschen im Westen waren durchaus angetan von diesen Errungenschaften – und Hunderttausende von Frauen aus den neuen Bundesländern, die in den Westen abwanderten, trugen zur Öffnung des Klimas bei. Doch entbrannte gleichzeitig eine letzte wütende Abwehrschlacht, die alle Fehlentwicklungen im DDR- Staat der dortigen Krippenerziehung und frühkindlichen Betreuung zuschrieb und vorübergehend noch einmal die alten Gräben aufriss. Unbestritten ist inzwischen, dass es in der DDR hohe Kompetenzen in frühkindlicher Betreuung und gut qualifizierte Erzieherinnen gegeben hat, trotz einer höchst problematischen kollektivistischen Rigidität.
    Eine privatwirtschaftliche Firma, kein gemeinnütziger Verein
    Neben der spannenden inhaltlichen Botschaft des Projekts lockten mich noch andere Aspekte: Ich war 45 Jahre alt und musste abwägen zwischen dem Abenteuer des Neuen und der Sicherheit meiner
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