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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Marcus Imbsweiler
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geschubst hatte und ausgerastet war, wenn
sich eine beschwerte?
    »Ich hab ’ne Flasche Whisky offen«, sagte ich. »Magst du reinkommen?«
    Wortlos schob sich Inez an mir vorbei in die Wohnung. Ich schloss die
Tür und knirschte mit den Zähnen. Danke, Max, ich bleibe lieber im Treppenhaus stehen
– das wäre die passende Antwort auf meine Frage gewesen. Verdammt, ich musste mich
konzentrieren! Ihr etwas Nettes sagen, etwas Aufbauendes, den Arm um sie legen.
Sie trösten! Reiß dich zusammen, Max, und tu was!
    »Ja, also, wie gesagt, ich kann dir einen Whisky anbieten.« Wir waren
im Wohnzimmer gelandet. »Der Fernseher läuft, weil da eben ein Freund von mir einen
Auftritt hat. Politik und so.«
    »Ich war bei Daniel«, sagte sie.
    »Oh.« Kurze Pause. »Wie geht es ihm? Hast du ihn gesehen?«
    Als sich unsere Blicke trafen, hätte ich schwören können, Daniel sei
tot. Doch sie antwortete nicht. Sie machte bloß einen Schritt auf mich zu und drückte
sich an mich. Ich spürte ihren warmen Körper an meinem. Ihre Arme auf meinem Rücken,
ihr Haar an meinem Kinn. Meine Nasenflügel gerieten ganz von selbst in Bewegung,
um diesen Inez-Duft einzusaugen und nie wieder herzugeben.
    »Unserer Auffassung nach«, hörte ich die Kliniktante sagen, »handelt
es sich bei dieser Angelegenheit um ein bedauerliches Missverständnis. Um eine Verwechslung.
In der Tat weilt seit einigen Tagen ein Patient aus Ägypten bei uns, der sich einem
chirurgischen Eingriff unterziehen musste. Für uns Mitteleuropäer mag er eine gewisse
Ähnlichkeit mit dem ehemaligen Präsidenten seines Landes haben, mehr aber auch nicht.
Als die Vorwürfe gegen die Klinik laut wurden, haben wir den Neckar-Nachrichten
sofort die Möglichkeit eingeräumt, mit diesem Patienten zu sprechen. Leider hat
Herr Covet diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.«
    »Heuchlerin!«, knirschte ich und ballte die rechte Hand zur Faust.
Dieselbe Hand, die eben noch auf Inez’ Rücken gelegen hatte. So, wie es die linke
weiterhin tat. Mussten ja irgendwohin, die Hände. In Brusthöhe wurde mein Hemd feucht.
Inez weinte still vor sich hin.
    »Dass Sie die Öffentlichkeit durch einen beliebigen Patienten, der
zuvor entsprechend präpariert wurde, ablenken möchten, ist ein durchschaubares Manöver«,
konterte Covet. Mittlerweile klang er nicht mehr so sonor wie anfangs. »Ich bleibe
dabei: Bei dem Herrn, der bis gestern auf Zimmer 015 weilte, handelt es sich um
den ehemaligen Staatspräsidenten Ägyptens.«
    »Nun, damit steht hier vorläufig Aussage gegen Aussage«, mischte sich
der Moderator ein. »Dann fragen wir uns doch einmal, was es zu bedeuten hat, sollten
die Beobachtungen Herrn Covets und seiner Informanten zutreffen. Frau Dr. Schaar:
Darf man einen gestürzten Diktator als Patient aufnehmen?«
    »So einfach ist das nicht zu beantworten. Zumal es sich um eine bloß
theoretische Überlegung handelt, weil es nie eine Anfrage aus Ägypten oder einem
anderen Land gab. Wir sprechen hier gewissermaßen im Konjunktiv, nicht wahr?«
    »Nein!«, rief Covet dazwischen. »Ich nicht. Meine Zeugen und ich bevorzugen
den Indikativ!«
    »Das sei Ihnen gegönnt«, lächelte die Tussi milde. »Zu Ihrer Frage:
Sollte ein Maghreb-Politiker bei uns um Aufnahme und Behandlung bitten, würde die
Klinikleitung zunächst eine Stellungnahme des Außenministeriums einholen. Und nur
wenn diese positiv ausfällt, wenn es also keine rechtlichen oder moralischen Bedenken
gegen eine Aufnahme gibt, wird die Klinik …«
    »Es ist so schrecklich, Max«, schluchzte Inez und ließ mich los. »Er
wird nie wieder so aussehen wie früher. Sein ganzes Leben lang wird er gezeichnet
sein.«
    »Meinst du?« Ich kratzte mich am Hinterkopf. »Wart mal ab. Das kann
man jetzt noch nicht sagen. Die Haut wird sich erholen, und dann kommen irgendwann
auch die Haare wieder.«
    »Sie ließen mich nur kurz zu ihm. Aber schon das war so entsetzlich
…« Sie hielt sich die Hände vors Gesicht.
    »Nun setz dich doch erst mal.« Die Kliniksprecherin
quasselte immer noch von Verantwortung, von der ärztlichen Schweigepflicht und dem
Hippokratischen Eid. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber Inez konnte doch
nicht einfach so in unserem Wohnzimmer herumstehen. »Magst du was trinken? Ich kann
dir auch ein Wasser holen.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Setz dich doch.«
    Immerhin, das tat sie. Nebeneinander saßen wir auf dem doofsten Sofa
der Welt. Ich schenkte mir Whisky ein und nahm einen Schluck. In der
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