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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Marcus Imbsweiler
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klingt vernünftig. Hast du eine Alternative?«
    »Nicht unbedingt. Station 015?«
    »Es gibt doch keine 15 Stationen in der Chirurgie.«
    »Du meinst, in der Heidelberger Chirurgie.«
    »Welche käme sonst in Frage?«
    Ich schwieg. Wenn Christine recht hatte mit ihrer Lesart, war der Vorschlag
mit der Zimmernummer tatsächlich der überzeugendste. Vielleicht ging es um einen
Patienten. Schallmos Erbtante lag mit Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus und wollte
besucht werden. Ganz normal, ganz harmlos. Falls meine Ex aber noch schlechter sah
als ich, wurde es kompliziert. Chr. 015 konnte alles Mögliche bedeuten. Warum hatte
dieser Schallmo auch so eine Sauklaue? Ein Lehrer, das sprach Bände!
    »Gut«, sagte ich. »Womöglich steckt etwas total Belangloses dahinter.
Es ist halt der einzige Eintrag vom Todestag. Ich werde der Sache nachgehen.«
     

4
     
    Als ich mein Rad um Viertel vor acht vor der Rohrwaldschule an einen
Laternenpfahl schloss, hatte ich noch keinen genauen Plan, wie ich vorgehen sollte.
Schulen gehörten nicht gerade zu meinen bevorzugten Gebieten für Ermittlungen. Aber
wo sonst hätte ich herumschnüffeln sollen? Durch Schallmos Wohnung wuselten Fischers
Leute, den Tatort kannte ich schon. Mit etwas Glück kam ich hier der Polizei zuvor.
Eine kleine Hoffnung nur, und sie zerschlug sich, als ich den Streifenwagen sah,
der ein Stück entfernt parkte.
    »Cooler Schlitten«, sagte jemand, und im ersten Moment glaubte ich,
die Polizeikarre sei gemeint.
    Dann sah ich die drei jungen Kerle, die sich über mein Rad amüsierten.
Sie standen rauchend außerhalb des Schulgeländes. Ich schätzte sie auf 16, und sie
schienen nicht zu wissen, wohin mit ihren Händen. Der eine verbarg sie in den Hosentaschen,
die anderen beiden kratzten sich, fummelten, popelten unablässig. An wem und was
auch immer. Schwarz war offenbar groß in Mode in dem Alter. Schwarz und aufsässig.
    »Cooler Schlitten«, wiederholte einer der Fummler. »Was macht der Spitze?«
    Seine Kumpel grinsten. Sieh mal einer an, sooo früh am Morgen, aber
die Gesichtsmuskulatur funktionierte schon. Vorsichtshalber nahm ich die Luftpumpe
vom Rahmen und steckte sie ein. Okay, vielleicht war es ja nett gemeint, das Gealber.
Die Jungs waren nicht die Ersten, die meinen roten Uraltklepper mit der Teufelsgesichthupe
als Quell der Belustigung empfanden. Trotzdem hatte ich zu dieser Stunde keine Lust
auf Scherze, und Schwarz ist einfach eine Scheißfarbe. Wortlos schritt ich Richtung
Schulhof.
    »Sieht irgendwie schwul aus, das Ding.«
    So, jetzt reichte es aber. Welcher Teufel war schon schwul? Ich ging
zu meinem Rad zurück, zeigte auf den Vorderreifen, der ein brandneues Profil hatte,
und sagte: »Hey, ihr Klugscheißer! Seht ihr die Kerben hier? Da steht jede für einen
Hauptschüler, den ich höchstpersönlich umgenietet habe.«
    Jetzt hatte ihre Heiterkeit wenigstens einen begründeten Anlass. Sie
lachten noch, als ich das Schulgebäude betrat.
    Es war ein Bau aus den Siebzigern, anheimelnd wie eine Tiefgarage.
Wände und Decken aus Beton, zu meinen Füßen ein Marmorimitat. Das Licht funzlig,
unangenehme Halleffekte. Auf einer seitlich angebrachten Tafel mit Steckbuchstaben
fand sich der Raumplan. Die Rohrwaldschule bestand aus einer Grund- und einer Hauptschule.
Letztere nannte sich aber nicht mehr Hauptschule, wie ich erfahren musste, sondern
Werkrealschule. Aha. Raider heißt jetzt Twix. Ich suchte nach Klasse 8. Laut Stundenplan
hätte Schallmo in ihr Ethik geben müssen. Dass die Polizisten aus dem Streifenwagen
im Klassenzimmer auftauchten, hielt ich für unwahrscheinlich. Eher saßen sie gemütlich
beim Rektor, tranken ein Tässchen Tee und philosophierten über die Schlechtigkeit
der Welt.
    Von einem Mädchen ließ ich mir den Weg zeigen. Quer durch das Foyer,
hinten rechts, bis zum Ende des Ganges. An den Wänden fristeten Bilder und Skulpturen
von Schülern ein trostloses Dasein. Ein Plakat warnte vor Drogen: Es geht auch ohne!
Ein Witzbold hatte mit schwarzem Marker hinzugesetzt: Macht aber keinen Spaß.
    Es war fünf vor acht, als ich die Tür des Unterrichtsraums erreicht
hatte. Einzelne Schüler kamen angestrolcht und musterten mich. Die einen neugierig,
die anderen argwöhnisch. Dann traten sie ein. In eine Höhle namens Klassenzimmer,
Schauplatz kindlicher Dramen auf Leben und Tod. Jahre brachte man hier zu, Jahre,
die einen komplette Häutung lehrten. Weg mit der alten Hülle, rein in eine neue,
dickere, robustere, bis man zum
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