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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Marcus Imbsweiler
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übrig, aber ich schaffte es, mir ohne Geschlabber einzuschenken.
Vielleicht brauchte ich eine Brille. An der heißen Flüssigkeit verbrannte ich mir
die Lippen. Egal. Hauptsache, schneller trinken als meine Exfrau.
    »Frische Brötchen«, seufzte sie. »Von Max gebracht!«
    » Von Max? Für Max! Ich muss nämlich arbeiten.«
    »Quatsch.«
    »Doch.«
    »Es ist sieben Uhr! Du schläfst doch noch!«
    Natürlich glaubte sie mir nicht. Ich hätte mir auch nicht geglaubt.
Gut, dann mussten halt überzeugende Argumente her. Christine starrte ohnehin schon
die ganze Zeit so neugierig auf den Laptopbildschirm. Ich klickte zum ersten Foto
zurück: Thorsten Schallmo, das Gesicht vom Blitz meines Handys grellweiß entstellt,
eine Brombeerranke um den Hals.
    »Ach du Schande«, entfuhr es ihr. Dann sagte sie eine ganze Weile nichts
mehr.
    Ich zeigte ihr die anderen Bilder, die ich gestern Nacht aufgenommen
hatte. Schallmo aus der Nähe, seine Lage im Gebüsch, der Inhalt seiner Brieftasche.
    »Na?«, meinte ich. »Ist das ein Grund, früh aufzustehen und Brötchen
zu holen?«
    Sie räusperte sich. »Fürs Aufstehen, ja. Für die Brötchen – ich weiß
nicht. Der Mann ist tot, richtig?«
    »Woran siehst du das?«
    »Das sieht man. Und jetzt ermittelst du?«
    Ich berichtete ihr kurz von Kurt und Fred und von meinem dumpfen Gefühl,
den beiden etwas schuldig zu sein. Dabei stand ich auf, ging in die Küche und schmierte
mir ein Brötchen. Der Kaffee tat seine Wirkung.
    »Es regnet nicht mehr«, sagte Christine.
    »Das habe ich schon auf dem Weg zum Bäcker festgestellt.«
    »Warum hast du seine Scheckkarten fotografiert? Und den Fitnessstudioausweis?«
    »Ich habe einfach alles dokumentiert, was in seinem Geldbeutel war.
Den konnte ich ja schlecht entwenden. Die Bullen wären sofort misstrauisch geworden.«
    »Wurden sie es nicht sowieso, als sie dich bei der Leiche sahen?«
    »Mich? Bei der Leiche?« Grinsend ließ ich mich in den Stuhl fallen.
»Als sie kamen, war ich längst wieder auf dem Heimweg.«
    »Max, Max, Max«, murmelte sie. »Ihr und eure Männergeschichten.«
    »Frauengeschichten wären dir auch nicht recht.«
    »Und was hast du jetzt vor?«
    »Ich werde mir Schallmos Arbeitsplatz anschauen. Eine Schule, unten
im Hasenleiser. Aber sag mir vorher, was du davon hältst.« Ich zeigte ihr eines
der Fotos, die ich vom Taschenkalender des Toten gemacht hatte. Der Kalender war
klein und hatte in Schallmos linker Gesäßtasche gesteckt. Von seinen Eintragungen
dort interessierte mich neben dem Stundenplan vor allem eine: die einzige, die sich
unter dem Datum von gestern fand.
    »Chir. 015«, las meine Ex. »Unterstrichen und mit Ausrufezeichen. Vielleicht
hatte er einen Termin in der Chirurgie.«
    »Wohl eher einen mit einer 15-Jährigen namens Christine. Ich lese nämlich
bloß Chr. Nix Chir.«
    »Und das da?« Sie tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Das ist
eindeutig ein i nach dem h.«
    »Ein unmotivierter Schlenker ist das.«
    »Ein Schlenker mit i-Punkt?«
    »Wo?«
    »Herrje, da!« Sie deutete wieder auf das Bild.
    »Das ist nichts. Dreck auf dem Papier oder auf der Linse.«
    »Ein i-Punkt ist das, Max!«
    Und so ging es eine Weile hin und her. Eben erst hatte es sieben Uhr
geschlagen, aber Herr Koller und Frau Markwart, einstmals verehelicht und mittlerweile
wieder zusammenlebend, stritten sich über Schlenker und Fliegendrecke im zerknitterten
Taschenkalender eines Toten. Vielleicht hatte Christine recht, und da stand wirklich
Chir. 015. Aber erstens war ich mir nicht sicher, und zweitens wollte ich ihr so
früh unter keinen Umständen recht geben. Von diesem Triumph würde sie sich den ganzen
Tag nicht mehr erholen!
    »Klar ist das ein i. Chir heißt es, nicht Chr.«
    »Chirstine? Kenne ich nicht.«
    »Blödmann! Chirurgie ist gemeint. Chr. 015 ergibt keinen Sinn.«
    »Natürlich gibt das Sinn. Jede Menge sogar, vor so viel Sinn kann man
sich kaum retten. Die 15-jährige Christine, Christian bekommt 15 Punkte in der Klausur,
Christof hat am 15. Geburtstag.«
    »Albern.«
    »Der christliche Psalm Nummer 15.«
    »Mach dich nicht lächerlich!«
    »Vielleicht hat er eine Acht vergessen. Christine ist auch nur 08/15.«
    Sie stöhnte auf. »Diese Brötchen sind wirklich teuer erkauft.«
    »Okay, nehmen wir mal an, mein fortgeschrittenes Alter schlüge sich
im Verfall meiner Sehkraft nieder. Dann stünde dort also Chir. 015. Und was bedeutet
das?«
    »Chirurgie, Zimmer 015.«
    »Oder?«
    »Keine Ahnung. Zimmer
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