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Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert
Autoren: brisbin
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sah, wusste er, dass sein Schwert nicht benötigt wurde.
    Die weinende Gruppe barg in ihrer Mitte die Frau, von der sie gerade gesprochen hatten. Sie allein weinte nicht, noch gab sie irgendeinen Laut von sich, während alle auf ihn zukamen. Ein Nonnenschleier bedeckte ihr taillenlanges schwarzes Haar und auch den größten Teil ihres Gesichts. Ihre Augen, die vom hellsten Blau waren, das Rurik je gesehen hatte, hoben sich leuchtend von ihrer blassen Haut ab. Zumindest von der Haut, die Rurik zu sehen bekam. Zum ersten Mal überlegte Rurik, ob sie nicht vielleicht doch ihr Gelübde abgelegt hatte.
    Während er noch den Kopf schüttelte über solch eine Verschwendung von Schönheit, machte er seine Männer mit einem Pfiff aufmerksam und deutete mit dem Kopf zum Tor. Sven und Magnus hörten mit ihren Späßen auf, gingen zum Tor hinüber und versammelten den Rest der Männer. Endlich, nach Tagen des Wartens, würde ihre Reise beginnen. Als er über die Köpfe der Nonnen hinweg, die sie umgaben, Margriets Blick auffing, war Rurik überrascht über die plötzliche Verletzlichkeit, die er darin entdeckte. In der Sicherheit des Klosters war Margriet ihm furchtlos erschienen. Jetzt, wo sie dabei war, sich in seinen Schutz zu begeben, verrutschte ihre Maske der Tapferkeit. Er war überzeugt, dass auch die anderen es bemerkten.
    Er ging auf sie zu, drängte mühelos die anderen beiseite und nahm Margriets Arm. Dann geleitete er sie zum Tor und hätte fast nicht bemerkt, wie sie stehen blieb und sich nicht mehr rührte. Wieder wurde er ärgerlich und drehte sich zu ihr um.
    „Keine Verzögerungen mehr, Mylady“, befahl er. „Ich glaube, in meinen Anweisungen habe ich mich klar genug ausgedrückt. Ich gab Euch eine Stunde, nicht mehr, um Eure Vorbereitungen zu treffen.“
    „Schwester!“, berichtigte sie und schürzte auf verlockend rebellische Art die Lippen. Sie bezauberte Rurik. Gleichzeitig machte es ihn wütend, dass er so auf sie reagierte. „Ihr dürft mich ‚Schwester‘ nennen.“
    Es herrschte Stille. Jeder wartete auf seine Antwort. Trotz ihrer Tracht und ihres Schleiers war Rurik sich ihres Standes immer noch nicht so recht sicher. Aber er war bereit, ihr im Zweifelsfall zu glauben. „Gut, dann Schwester. Wir haben nur noch ein paar Stunden Tageslicht, und ich möchte jeden Augenblick davon nutzen. Auch, um dich so weit wie möglich von hier fortzubringen und um dann die Wahrheit über dich herauszufinden.
    Was sie nun tat, überraschte ihn. Sie trat nahe an ihn heran und beugte sich so dicht zu ihm, dass er den Kopf senken musste, um ihre Worte zu verstehen. „Ich möchte Euch noch um ein paar Minuten bitten. Ich will von der Ehrwürdigen Mutter Abschied nehmen.“ Margriet sah ihn an. Er entdeckte Tränen in ihren Augen. „Ich habe hier länger gelebt als bei meinem Vater. Ich bitte Euch zu gehen, damit ich noch einmal unter vier Augen mit der Ehrwürdigen sprechen kann, bevor ich das Kloster verlasse.“
    Rurik hob den Kopf und sah zu jenen hinüber, die im Klosterhof standen und sie beobachteten. Er holte tief Luft, stieß sie wieder aus und hatte gute Lust, um sich zu schlagen. Er und seine Männer warteten nun schon seit fast drei Tagen, während die Frau vor ihm all seine Versuche durchkreuzte, seinen Auftrag auszuführen. Ja, er wollte endlich diesen Ort verlassen und seine – ihre – Reise nach Norden beginnen. Doch bis jetzt hatte Margriet durch ihr Tun klar gezeigt, dass sie nicht nach Hause zurückkehren wollte. Vielleicht waren der Ton des väterlichen Briefs oder auch nur einige Worte darin der Grund für ihr Zögern. Ungeachtet dessen würde Rurik doch eher ihr Begleiter als ihr Wächter sein.
    Er beschloss, eine andere Taktik anzuwenden, und wandte sich der Kapelle zu. „Ich würde gern selbst mit der Ehrwürdigen Mutter sprechen. Vielleicht beunruhigt Euch diese Abreise weniger, wenn ich der Mutter versichere, dass Ihr bei mir in Sicherheit seid.“
    Margriet schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Schleier flog. „Nein, Sir. Sie sagte, dass Ihr sie in Angst und Schrecken versetzt, und dass sie nicht mit Euch sprechen will.“
    „Dann beeilt Euch, My– Schwester. Wir müssten schon längst unterwegs sein.“
    Er wollte ihr nicht den Sieg überlassen und ging zum Tor. Die Arme vor der Brust verschränkt, erwiderte er den Blick seiner Männer. Sie sollten ja keinen Ton sagen! Und klug wie sie waren, taten sie das auch nicht. Stattdessen erledigten sie die letzten Handgriffe beim Beladen der Pferde.
    Es waren
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