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Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert
Autoren: brisbin
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Bei jemandem, der dem schwachen Geschlecht angehörte, konnte solch eine nervöse Reaktion wohl als normal betrachtet werden. Jedenfalls hatten seine Stiefel im Laufe der Zeit schon Schlimmeres erlebt. Ihretwegen machte er sich keine Sorgen
    nun, jedenfalls keine allzu großen. Es würde sich abwaschen lassen.
    Die Tore standen jetzt offen, doch die Bewohner des Klosters blieben außer Sichtweite. Eine Nonne stand in der Tür zur kleinen Kapelle. Sie schien der Beobachtungsposten der Ehrwürdigen Schwestern zu sein. Immer wenn Rurik oder einer seiner Männer etwas sagten, grunzten, ausspuckten oder sich nur bewegten, wandte sie sich um und flüsterte mit denen, die sich im Innern des Gotteshauses aufhielten. Sven und Magnus bekamen das ziemlich rasch spitz. Jetzt gestikulierten und sprachen sie nur noch, um zu sehen, welche Reaktion ihr Verhalten hervorrief. Die Nonne hatte noch nicht bemerkt, dass sie der Grund für ihre Belustigung war. Rurik hätte den beiden Einhalt gebieten müssen. Sich auf Kosten der Klosterfrauen lustig zu machen, war etwas, dass er nicht gutheißen konnte. Doch es war ein harmloser Spaß, der schließlich niemanden verletzte.
    Ein heftiger Windstoß trug einen Übelkeit erregenden Geruch an seine Nase. Rurik wusste, dass das Erbrochene schwer zu entfernen sein würde, wenn es erst einmal auf seinen Stiefeln eingetrocknet war. Er sah sich in dem kleinen ummauerten Hof um und entdeckte einen Brunnen. Nichts deutete darauf hin, dass die Dame gleich auftauchen würde. Vor ihrem Aufbruch würde er also sicher noch genügend Zeit haben, sich um seine Stiefel zu kümmern. So ging er zu dem Brunnen. Als er nach dem Eimer greifen wollte, näherte sich ihm überraschend ein alter Mann.
    „Sie ist noch nicht viel geritten!“, platzte er ohne Vorwarnung heraus.
    Rurik fuhr mit seiner Arbeit fort. Er warf den Eimer in den Brunnen und zog ihn hoch, als er voll war. Dann ließ er das Wasser über seine Stiefel laufen. Er benutzte den einen Fuß, um damit das Erbrochene von dem anderen abzukratzen und fuhr damit fort, bis er den meisten Schmutz entfernt hatte. Das war der eine Grund, warum er nicht antwortete. Der andere war, dass er wusste, sein Schweigen würde den alten Mann dazu bewegen weiterzusprechen. Tatsächlich brauchte er nicht lange zu warten.
    „Seitdem ihr Vater sie hierher schickte, hat sie das Kloster nicht verlassen“, meinte er.
    Rurik bemerkte, dass der Mann nicht aufrecht stand. Durch seine vielen Lebensjahre schien er geschrumpft zu sein. „Was hat das mit mir zu tun, alter Mann?“, fragte Rurik. Nachdem der unangenehm riechende Schmutz von seinen Stiefeln entfernt war, warf er den Eimer wieder dorthin, wo er ihn gefunden hatte, und sah den Mann an. „Glaubst du, dass ich sie misshandeln werde?“
    „Gunnars Tochter ist etwas Besonderes und sollte mit Respekt behandelt werden“, erwiderte der Mann und richtete sich zu einer Größe auf, die Rurik nicht für möglich gehalten hätte. „Du wirst mir für jedes Übel, das ihr zustößt, Rede und Antwort stehen.“
    Rurik war versucht zu lachen, doch er beherrschte sich. Sie beide wussten, dass der Mann ihn, was Kraft und Geschicklichkeit betraf, niemals würde besiegen können. Aber Rurik achtete seinen Versuch, ihn einzuschüchtern. Interessanter war, dass die Worte und die Inbrunst, mit der sie gesprochen wurden, Rurik viel über seinen wahren Gegner in dieser Auseinandersetzung verrieten – Lady Margriet.
    Rurik verbeugte sich vor dem alten Mann und nickte. „Du hast mein Wort. Solange sie unter meinem Schutz steht, wird ihr nichts Schlimmes zustoßen, alter Mann.“
    Der Alte starrte Rurik angestrengt an. Offensichtlich dachte er über dessen Versprechen nach. Dann gab er ein Grunzen von sich und nickte. „So sei es.“
    Mit dem Stolz eines Hochlandkriegers streckte er den Arm aus und bot ihn Rurik an. Rurik trat zu ihm und umfasste den Arm. „Wie nennt man dich, alter Mann? Und was ist deine Aufgabe hier?“
    „Man nennt mich Black Ian, und ich sorge für die Herden.“
    Irgendwann in seinem Leben mochten seine Haare wohl einmal schwarz gewesen sein. Doch jetzt hätte es besser zu ihm gepasst, wenn man ihn den Grauen oder den fast kahlen Ian genannt hätte. Die plötzliche Aufregung, die vom Hauptgebäude ausging und sich bis in den Hof fortpflanzte, unterbrach jede weitere Unterhaltung. Unwillkürlich fasste Rurik nach seinem Schwert, während er sich umwandte, um sich dem Tumult zu stellen. Als er eine Gruppe Frauen aus dem Kloster kommen
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