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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift
Autoren: Val McDermid
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beruhigte sie sie und ging hinaus. Aber ich hätte trotzdem nachgefragt .

    Trockener Mund. Zu trocken, um zu schlucken. Das war ungefähr der komplizierteste Gedanke, der seinen mit Watte angefüllten Kopf durchdringen konnte. Seine Augendeckel zuckten.
    Er hatte eine dunkle Ahnung, dass es keine gute Idee wäre, sie zu öffnen, und dass es einen Grund dafür gab, aber er konnte sich nicht an ihn erinnern. Er war nicht einmal sicher, ob er sich auf diese unklare Warnung aus seinem Gehirn verlassen konnte. Was konnte so schlimm daran sein, die Augen aufzumachen? Die Leute taten es doch ständig, und es passierte ihnen nichts Schlimmes.
    Die Antwort kam mit schwindelerregender Schnelligkeit. »Wurde ja auch Zeit«, versetzte die schnippische Stimme von irgendwo hinter seinem linken Ohr. Ihr scharfer, kritischer Ton war ihm vertraut, aber nur aus der Vergangenheit. Sie schien zu dem zusammenhanglosen Eindruck, der ihm von seinem jetzigen Leben geblieben war, nicht so recht zu passen.
    Tony rollte den Kopf zur Seite. Diese Bewegung ließ einen Schmerz wiederaufflammen, den er nicht genau orten konnte. Es kam ihm wie ein allgemeines Schmerzgefühl im ganzen Körper vor. Er stöhnte und öffnete die Augen. Und erinnerte sich daran, warum es besser gewesen wäre, sie geschlossen zu lassen.
    »Wenn ich schon hier sein muss, könntest du dich wenigstens mit mir unterhalten.« Ihr Mund presste sich zu dem missbilligenden Strich zusammen, den er so gut kannte. Sie klappte ihren Laptop zu, stellte ihn neben sich auf den Tisch und schlug die mit einer Hose bekleideten Beine übereinander. Ihre Beine hatte sie nie gemocht, dachte Tony dabei völlig sinnlos.
    »Tut mir leid«, krächzte er. »Ich glaube, es kommt von den Medikamenten.« Er streckte die Hand nach dem Glas Wasser auf seinem Tablett aus, konnte es aber nicht erreichen. Sie machte keine Bewegung. Er versuchte, sich hochzuziehen und aufzusetzen, und vergaß dabei dummerweise, weshalb er in einem Krankenhausbett lag. Sein linkes Bein bewegte sich, durch eine dicke Gipsschiene beschwert, nur ein winziges bisschen, dies tat aber so unverhältnismäßig weh, dass er aufstöhnte. Mit dem Schmerz kam die Erinnerung. Lloyd Allen, der sich auf ihn stürzte und etwas schrie, das er nicht verstand. Das Aufblitzen von Licht auf blauem Stahl. Ein Moment lähmender Schmerzempfindung, dann nichts mehr. Danach Bewusstseinsfetzen, Ärzte, die über ihn sprachen, Schwestern, die sich über ihn beugten und redeten, ein Fernseher, der auf ihn einquatschte. Und sie, die Gereiztheit und Ungeduld ausstrahlte. »Wasser?«, schaffte er hervorzustoßen und war nicht sicher, ob sie ihm den Gefallen tun würde.
    Sie seufzte, gereizt wie eine Frau, die weidlich ausgenutzt wird, hob dann das Glas Wasser und richtete den Halm auf seine trockenen Lippen, damit er trinken konnte, ohne sich aufsetzen zu müssen. Er sog das Wasser in kleinen Schlucken auf und genoss es, dass sich wieder Feuchtigkeit in seinem Mund ausbreitete. Einsaugen, auskosten und schlucken. Er wiederholte das, bis er das Glas halbleer getrunken hatte, dann ließ er den Kopf aufs Kissen zurückfallen. »Du brauchst nicht hier zu sitzen«, sagte er. »Mir geht’s gut.«
    Sie schnaubte. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich aus freien Stücken hier bin. Das Bradfield Cross ist einer meiner Kunden.«
    Dass sie ihn immer noch so brutal enttäuschen konnte, war keine Überraschung, aber trotzdem tat es weh. »Um den Schein zu wahren, was?«, meinte er und konnte einen bitteren Tonfall nicht unterdrücken.
    »Wenn mein Einkommen und mein Ruf auf dem Spiel stehen? Darauf kannst du wetten.« Sie sah ihn mürrisch an, und die Augen, die seinen so ähnlich waren, wurden schmal, als sie ihn einschätzend taxierte. »Tu nicht so, als seist du dagegen, Tony. Wenn es darum geht, den Schein zu wahren, könntest du England bei den Olympischen Spielen vertreten. Ich wette, keiner deiner Kollegen hat einen blassen Schimmer, was in deinem schmuddeligen Köpfchen vorgeht.«
    »Ich hatte eine gute Lehrmeisterin.« Er wandte den Blick ab und gab vor, das Morgenmagazin im Fernsehen anzusehen.
    »Also gut, wir brauchen ja nicht zu reden. Ich habe Arbeit und bin mir sicher, wir können dir etwas zu lesen bringen lassen. Ich bleibe einen oder zwei Tage, nur so lange, bis du wieder auf den Beinen bist. Dann werd ich dir nicht mehr im Weg sein.« Er hörte, wie sie sich zurechtsetzte und dann etwas auf den Tasten tippte.
    »Wie hast du es erfahren?«,
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