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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Daniel Wiechmann
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Widerspruch darstellen, sei jedoch in Wirklichkeit ein sehr bayerisches Konstrukt. In Bayern gehe es nämlich nicht so sehr darum, Widersprüche abzuschaffen, sondern darum, mit diesen Widersprüchen bestmöglich zu leben.
    »Laptop und Lederhose, wie des der Edmund immer so schön gesagt hat«, sagte Max zu mir. »Verstehst?«
    Edmund Stoiber ist wahrlich kein Marketinggenie gewesen. Vor allem, wenn es darum ging, sich selbst zu verkaufen. Doch mit dem Laptop-und-Lederhosen-Slogan ist ihm vor gerade einmal zehn Jahren ein kleines Meisterstück gelungen.
    »Hat Edmund Stoiber den Spruch nicht geklaut?«, versuchte ich mich zu erinnern.
    »Ja, der ist natürlich nicht ganz auf seinem Mist gewachsen. Aber der Roman Herzog, der des damals in oaner seiner Bundespräsidenten-Reden gesagt hat, der is ja auch a Bayer. Und unter Bayern derfst so einen guten Spruch schon mal herborgen«, beendete Max meine Spekulationen über den Diebstahl geistigen Eigentums.
    »Oder nimm die Politik. Was in der CSU außerehelich herumgeschnackselt wird, da hättest schon längst das C aus dem Namen wegnehmen müssen.«
    »Macht man aber nicht. Ihr seid Katholiken, ihr könnt beichten, und gut ist es.«
    »Ja, das mit dem Beichten ist scho oa praktische Sach. Aber des is net ois. Ihr Preußen seid immer so streng … so pedantisch. Werte sind gut und richtig, des scho. Aber Werte sind ein Maßstab, eine Orientierungshilfe. Woißt noch, was der Franz Beckenbauer gsagt hat, nachdem bekannt wurde, dass er noch mal Vater wird? Und dass das Kind nicht von seiner Frau ist?«
    Ich konnte mich nicht daran erinnern. Ich wusste nur, dass die Affäre dem deutschen Fußballkaiser Franz damals zu dem schönen Spitznamen Beckenpower verholfen hatte. Und dass bayerische Weihnachtsfeiern seitdem ein sehr fragwürdiges Image bekommen hatten.
    »Der Franz hat damals gesagt: Der Herrgott freut sich über jedes Kind.« Max schaute mich triumphierend an, als hätte er mir gerade die Weltformel enthüllt, mit der er der Erde für immer Frieden und Wohlstand bringen würde. »So einen schönen Satz kann nur ein Bayer sagen. Und weißt, warum? Weil er richtig ist. Moral hin oder her. Deswegen ham wir ja auch die Liberalitas Bavariae erfunden. Jeder in seinem Haus und Gott in allem.« Max war ganz gerührt. Ich verstand langsam, worauf er hinauswollte. Denn genau so erging es mir ja seit unserem Umzug nach München. Ich fand hier jedes Klischee über Bayern und über München belegt. Und am nächsten Tag wurden sämtliche Vorurteile widerlegt und komplett über den Haufen geworfen. Das Einzige, was immer blieb, war diese Gemütsruhe, die über Stadt und Land schwebte, dieses unsichtbare Miteinander, als hätte man die Seele voller Luft und Sonne. Die Widersprüche leben, hatte Max gesagt. Vielleicht war das ja tatsächlich das Geheimnis der Bayern.
    »Weißt, Bayern ist voller Widersprüche. Überall. Und deswegen is unser Land ja für Fremde auch so schwer zu verstehen. Nimm doch zum Beispiel den Kini.«
    Wer zum Teufel war jetzt schon wieder der Kini? Ich hatte den Namen von meinen Kollegen schon mal gehört. Aber mein Gedächtnis versagte ebenso wie meine Allgemeinbildung. Ich musste nachfragen.
    »Wer ist der Kini?«
    »Ludwig der Zweite. Der Kini halt. Sag bloß, du kennst den Kini net?«
    »Doch, Ludwig den Zweiten kenn ich schon. Aber warum sagst du seinen Namen nicht gleich?«
    »Na, weil er der Kini ist. Kini heißt König.«
    »Ja schön, aber ihr habt doch sicher mehr als einen König gehabt, oder?«
    »Ja schon, aber der Kini ist halt der Kini. Des weiß doch a jeder.« Bayerische Logik. Ich sollte es mittlerweile eigentlich besser wissen. Obwohl Bayern in seiner wechselvollen Geschichte tatsächlich mehr als nur einen König gehabt hatte, war es nur einem gelungen, als der König in Erinnerung zu bleiben. Kein Wunder, hatte er sich doch bereits zu Lebzeiten mit dem Bau prächtiger Schlösser Denkmäler gesetzt, die sich unschwer vergessen lassen. Dennoch ist es in der Tat merkwürdig, dass ausgerechnet Ludwig II . mit seiner Vorliebe für prunkvolle Schlösser und die schwere Musik Richard Wagners und seiner – allerdings nie wirklich bewiesenen – Homosexualität, den Bayern so ans Herz gewachsen war. Die bayerische Hemdsärmeligkeit war diesem Mann vollkommen fremd gewesen.
    »Der Kini, der war ein Träumer«, fuhr Max fort. »Aber er hat nicht nur geträumt, sondern er hat auch versucht, seinen Traum zu leben. Und des muss man a jedem hoch
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