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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Daniel Wiechmann
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auf der Hütte gekauft hatten, nachdem Max gemeint hatte, dass es in der Hütte keine richtige Heizung gebe und vor allem die Schlafzimmer oben in der Nacht recht kalt werden würden. Der Schlafsack, den wir ausgesucht hatten, war für einen Temperaturbereich von bis zu -25 Grad ausgelegt. Nur mit Mühe hatte der Verkäufer Francesca davon abbringen können, sich einen Expeditionsschlafsack zu kaufen, der sogar mit Temperaturen von -40 Grad fertigwurde. Der dringende Hinweis, dass sie im Sommer auf so einem Schlafsack nicht einmal liegen könnte, ohne zu schwitzen, hatte ihr dann doch zu denken gegeben.
    »Max hat gesagt, es sei gar nicht kalt in so einem Iglu. Und sehr romantisch«, versuchte ich sie weiter zu überzeugen.
    »Romantisch? Hat Max gesagt? Seit wann benutzen Männer solche Wörter, wenn sie miteinander reden? Romantisch …«
    »Er hat mir einen guten Wein versprochen, wenn er und Anna unsere Iglu-Nacht bekommen«, lockte ich Francesca weiter. Was er über das Warmmachen der Italienerin gesagt hatte, verschwieg ich lieber. Langsam wurde auch Francesca misstrauisch. Wäre sie bei sich zu Hause in Italien gewesen, läge der Fall klar auf der Hand. Wenn jemand bereit war, für etwas zu bezahlen, dann musste es etwas Wertvolles sein. Und entweder man behielt dieses Etwas, um zu sehen, ob es nicht jemand anderen gab, der bereit war, einen noch höheren Preis dafür zu bezahlen; oder man behielt das Objekt der Begierde, selbst wenn man es gar nicht für sich gebrauchen konnte. Einfach nur, um bei Freunden, Nachbarn und Bekannten im Gespräch zu bleiben.
    Doch mein Zureden half nicht. Francesca war nicht zu überzeugen. Schließlich redeten wir über ein Iglu. Aus Schnee. Zwei Tage in Italien, und das Iglu wäre weg. So etwas kann einfach nicht wertvoll sein. Außerdem ließ sich das Iglu nicht abschließen. Und Francesca liebte es, nachts abzuschließen.
    »Wegen der Räuber!«
    »Es gibt keine Räuber! Außerdem wohnen wir in der vierten Etage. Welcher Räuber ist so blöd, hier hochzukommen und uns auszurauben?«
    »Mag ja sein, aber Räuber, die denken nicht so, die sind nicht so klug, sonst würden sie ja einen ordentlichen Beruf machen.«
    Nein, es half alles nichts, Francesca musste jede Nacht abschließen. Und da man das Iglu nicht abschließen konnte, war es für sie gestorben. Da ich mir die Nacht im Iglu mittlerweile nicht mehr entgehen lassen wollte, würde ich dort wohl allein schlafen müssen.
    Ich hatte die Nacht vor Silvester zugelost bekommen. Ich war aufgeregt. Eingepackt in viele dicke Decken, saß ich am Vormittag auf der Terrasse und las. Einen Krimi von Donna Leon. Ich war allein, die anderen waren wieder zum Skifahrn unterwegs. Francesca war mit Anna in ein Thermalbad gefahren. Nur Max war noch da und machte Kinderdienst. Ich hatte angeboten, auf die Kinder aufzupassen, die keine Lust gehabt hatten, mit ihren Eltern zum Skifahren zu gehen, aber Max hatte darauf bestanden, sich um die Kinder zu kümmern. Aus einem ganz bestimmten Grund.
    Commissario Brunetti war mal wieder am Essen, als ich ein lautes rhythmisches Knallen vernahm. Es kam aus dem Spielzimmer. Als ich nachschaute, was es mit dem Knallen auf sich hatte, sah ich Oskar und Sarah mit einer Peitsche in der Hand.
    »Oskar, leg sofort die Peitsche weg!«, sagte ich in einem strengem Ton, der ihn erschreckte. Erst jetzt sah ich Max, der ebenfalls so eine merkwürdige Peitsche in der Hand hielt. Leon und Lukas standen daneben und hielten sich die Ohren zu.
    »Was macht ihr hier?«, wollte ich wissen.
    »Goaßlschnalzen!«, sagte Max. Ich hatte keine Ahnung, was das sein sollte, aber es gefiel mir nicht, dass Oskar mit einer Peitsche um sich schlug.
    »Ich möchte nicht, dass Oskar mit einer Peitsche herumhantiert. Das ist zu gefährlich. Für ihn und für andere.«
    Die Kinder schauten mich und Max interessiert an. Keines von ihnen rührte sich. Ich kannte diesen Blick. Es war derselbe, den ich schon oft auf dem Spielplatz gesehen hatte. Immer wenn sich zwei Kinder stritten, standen bald andere drumherum und schauten mit scheinbar unbeteiligter Miene, wie dieser Streit ausgehen würde. Sie griffen nicht in den Streit ein. Sie schauten einfach nur zu. So wie jetzt.
    »Des is koa Peitsche, des is a Goaßl. Und des Goaßlschnalzen is net gefährlich, des is oa Kunst!«, sagte Max ruhig. »Ich zeig’s dir!« Dann knallte er los.
    Das Goaßlschnalzen war eine Tradition, die die Fuhrleute entwickelt hatten, eine Art Vorläufer der Hupe.
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