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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Daniel Wiechmann
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sicher, dass er nicht wusste, was eigentlich ein Zipfelbob ist. Aber er hatte, die Autotür noch in der Hand, die ihm wohlbekannten Geräusche der Glückseligkeit gehört. Es waren die Geräusche von lachenden Kindern, schreienden Kindern, trötenden Kindern, weinenden Kindern, hupenden Kindern, von sich in Spiderman, Transformers und Harry Potter verwandelnden Kindern, von jubelnden Kindern, grölenden Kindern, von glücklichen Kindern. Da musste Oskar auch hin. Und was immer dieser Zipfelbob war, es würde ihn dorthin bringen.
    Der Zipfelbob war ein Plastikschlitten mit einem kleinen Griff in der Mitte, der wie ein erigierter Penis aussah. Der Zipfel eben, wie man in Bayern sagt. Gleich hinter der Hütte gab es einen kleinen Hang, auf dem sich bereits ein halbes Dutzend Kinder mit allerlei Fahrgeräten und lautem Geheul ins Vergnügen stürzten. Neben besagten Zipfelbobs dienten ein Autoreifen, ein Schlauchboot und ein riesiger Plastikwok als Schlitten. Während Oskar mit dem Zipfelbob losstürmte, den Max aus einem kleinen Schuppen neben dem Haus geholt hatte, räumten wir unsere Sachen aus.
    Wir waren als Letzte angekommen. Max und Anna hatten auf uns gewartet, während alle anderen teils mit, teils ohne Kinder beim Skifahren waren. Anna zeigte uns unser Schlafzimmer. Und meinte, wir sollten uns beeilen, sie mache gerade eine heiße Schokolade. Als wir fertig waren, gingen wir in die Küche. Ein uralter, noch mit Holz befeuerter Ofen diente nicht nur zum Kochen, sondern auch als Heizung. Neben dem großen Esstisch hatten noch ein kleines Sofa und allerlei Sesselchen und Stühle Platz in dem Raum gefunden. Gleich rechts neben der Tür stand eine Kommode, von der der Lack bereits abblätterte, darin das bunt zusammengewürfelte Geschirr. An der Vorderseite der Küche waren nachträglich größere Fenster eingebaut worden, die den Blick auf die Terrasse und den Berghang mit seinen verschneiten Tannen freigaben. Dahinter erblickte man das Tal. Das Haus, die Umgebung, alles war ganz einfach. Alles war perfekt.
    »Manchmal glaube ich, dass ihr Bayern die Idylle erfunden habt«, sagte ich zu Anna.
    »Und … hamma guten Schnee?« Rainer schaute Max fragend an, der gerade von draußen gekommen war, während wir anderen am nächsten Morgen noch beim Frühstück zusammensaßen.
    »Mir können baun!«, verkündete Max. Die Nachricht wurde von den Männern mit sichtbarer Freude aufgenommen. Die Frauen schmunzelten. Rainer war jener Freund, dem ich einen Teil meiner Oktoberfestgäste zu verdanken gehabt hatte. Könnte man aus Peter Lustig, dem bekannten Moderator der Kindersendung »Löwenzahn«, einen Luftballon machen und den ein bisschen dicker aufblasen als normal, das Ergebnis wäre Rainer. Er arbeitete in einer Werbeagentur. Seine Frau Marla war selbstständige Grafikerin, kümmerte sich aber vorwiegend um die beiden Kinder Leon und Sarah. Außer ihm waren auch noch Jakob und Christoph mit ihren Familien auf die Hütte gekommen.
    Jakob programmierte Software bei der Allianz. Er sprach nicht viel. Eine Eigenschaft, die seine Tochter Emma nicht von ihm geerbt hatte. Die Fünfjährige redete ununterbrochen. Vor allem mit ihrer Mutter Lilli, da die anderen Kinder meist schnell Reißaus nahmen, sobald Emma in Fahrt war. Christoph war mir neben Rainer am sympathischsten. Er und seine Frau Katharina hatten die Rollen getauscht. Sie verdiente die Brötchen als Marketingleiterin bei einem Pharmaunternehmen. Er hatte seine Stelle beim Bayerischen Rundfunk in einen Minijob umgewandelt, damit er die Anstellung nicht verlor, und kümmerte sich um den Haushalt und die beiden Kinder Lena und Felix. An Christoph gefiel mir, dass er trotz seiner Rolle als Hausmann keinerlei Softie-Attitüden besaß.
    »Und … kommst net mit?«, rief Max zu mir herüber. Ich war der einzige Mann, der noch am Tisch saß. Wieso vergaß er eigentlich immer wieder, dass ich die Kunst des Gedankenlesens nicht beherrschte?
    »Wohin denn?«
    »Mir baun an Iglu! Des machen mir immer, wenn der Schnee taugt.« Na klar, dass ich da nicht von selbst drauf gekommen war?
    Die vier erwiesen sich als eingespieltes Team. Jakob und Max sägten die Blöcke aus dem Schnee. Ich und Christoph schleppten sie zu Rainer, der die Blöcke passgenau in ihre endgültige Form schnitt und stapelte. Es dauerte nicht lange, bis es mir in meiner Daunenjacke, in der ich aussah wie ein bulgarischer Gewichtheber nach jahrelangem Anabolika-Missbrauch, viel zu warm wurde. Die Schneeblöcke
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