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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz
Autoren: Heike Eva Schmidt
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sich und in meinem Kopf schepperte es wie beim Dosenwerfen auf dem Rummelplatz. Nur war ich die Dose, die gerade mit voller Wucht getroffen worden war und hintenüber fiel.
    »Hiii, Lila«, flötete Nessie affektiert und strich sich die zerzausten, kunstblonden Haare lasziv aus dem Gesicht. Till grinste nur cool – und mein Herz zog sich zu einer kleinen, harten Faust zusammen. Hatte ich wirklich gedacht, ich sei über ihn weg? Wie doof ich doch war.
    »Hi«, würgte ich heraus. Ich wollte nur noch weg und zwar schnell.
    Doch Nessie warf mir von unten einen lauernden Blick zu. »Was machst du denn für ein Gesicht?«, fragte sie und lächelte wissend, die falsche Schlange.
    Till wurde nun offenbar auch aufmerksam und mustertemich neugierig. Ich wünschte verzweifelt, ich könnte mich hier und jetzt in Luft auflösen.
    »Wenn sie Gesichter machen könnte, hättest DU längst ein anderes«, ertönte auf einmal eine Stimme hinter mir.
    Vio. Sie war lautlos näher gekommen und blickte spöttisch auf die im Gras liegende Nessie herab. Der blieb bei Vios Spruch der Mund offen stehen.
    »Ach, und übrigens, Nessie: Du hast Lippenstift an den Zähnen«, sagte Vio zuckersüß. Damit hakte sie sich bei mir unter und zog mich sanft mit sich.
    »Was hängst du denn überhaupt im Park ab, ich dachte, du wärst in Französisch«, brachte ich erst fünfzig Meter später heraus.
    Vio grinste nur: »Keinen Bock gehabt«, sagte sie und fügte auf meinen strafenden Blick hinzu: »Hey, ich hab dich gerettet, nur das zählt!«

    Als ich am nächsten Morgen mit Vio – wie immer – zum Unterricht rannte, weil sie – wie immer – verschlafen hatte, sah ich mitten auf dem Gehweg plötzlich Till fluchend und mit hochrotem Kopf auf seiner Vespa sitzen. Er versuchte den Roller zum Laufen zu kriegen. Immer wieder trat er heftig auf den Starter, doch das Teil gab nur ein dumpfes Blubbern von sich. Hinter mir hörte ich Vio leise lachen: »Zucker im Tank. Verstopft die Benzinpumpe und gibt jeder Karre den Rest«, flüsterte sie.
    Ich blieb so abrupt stehen, dass Vio gegen mich prallte. » Du hast …« Mir blieb die Spucke weg.
    Vio zuckte nur die Achseln. »Kleine nächtliche Aktion gestern. Und unser Kaff ist ja sooo sicher. Da kann man unbesorgt seine Vespa auf der Straße parken!«
    Vio kicherte wie ein Kobold. Ich starrte sie nur mitoffenem Mund an. Wenn jemand sie gesehen hätte! Das hätte richtig Ärger geben können. Doch Vio schnaubte nur: »Mann! Ich hab dich gerächt! Wie im Film. Kill Till, Teil eins«, meinte sie und zog mich weiter, ehe jemandem meine fassungslose Miene auffiel.
    Eigentlich hätte ich über Vios Sabotage entsetzt sein müssen, aber um ehrlich zu sein: Till einmal hilflos, sauer und verschwitzt zu sehen, tröstete mich ungemein. Spontan fiel ich Vio um den Hals. Normalerweise war sie eher der burschikose Typ – einmal kurz knuddeln und dann war’s gut. Diesmal aber schlang sie die Arme um mich und drückte mich sekundenlang so fest an sich, als müssten wir uns für lange Zeit verabschieden und es wäre ungewiss, ob wir uns je wiedersähen. In ihrer Umarmung lag etwas Verzweifeltes und ich bekam fast Angst. Sanft befreite ich mich aus ihrem Klammergriff.
    Doch als ich zurücktrat und Vio prüfend musterte, war sie wieder ganz die Alte, grinste und musterte mich von oben bis unten. »Anubis hat dir ’nen hübschen Stempel verpasst«, meinte sie und tippte an ihren Anhänger.
    Ich blickte an mir hinab. Tatsächlich hatte der Schakalkopf des ägyptischen Gottes durch Vios herzhafte Umarmung einen kleinen, aber sichtbaren roten Abdruck knapp über meinem Schlüsselbein hinterlassen.
    »Jetzt bist du gebrandmarkt«, witzelte Vio.
    »Cool, wenn es bis heute Abend bleibt, gehen wir als ›Anubis-Sisters‹ zur Fete«, sagte ich.
    Vio verzog kurz das Gesicht zu einer Grimasse. »Ach ja, die Party …«, sagte sie gedehnt.
    Obwohl wir zu spät zur ersten Stunde kommen würden, blieb ich stehen. »Du willst jetzt nicht sagen, dass du die Fete vergessen hast, oder?«
    Vio zuckte die Achseln. Sie zögerte einen Moment, doch dann grinste sie breit: »Ach Quatsch, Süße. Und eins verspreche ich dir – wir beide lassen es heute Abend richtig krachen!«
    Sie streckte mir die Handfläche hin, ich schlug ein. Und dann rannten wir wie auf Kommando los, denn unser Mathelehrer verstand keinen Spaß, wenn es um den heiligen Satz des Pythagoras ging.

    Um sieben Uhr abends wartete ich immer noch auf Vio. Eigentlich hätte sie
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