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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz
Autoren: Heike Eva Schmidt
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ich, wenn Vios spitze Zunge zum Einsatz kam, dann tat’s meistens richtig weh.
    »Und? Wie lange geht das jetzt mit dem Hausarrest?«
    Vio zuckte die Schultern. »Zwei Wochen. Seit gestern. Also noch«, sie tat, als würde sie auf eine Armbanduhr an ihrem Handgelenk sehen, »dreizehn Tage und eine Nacht.«
    Ich starrte sie an. Hausarrest! Deswegen hatte sie heute Morgen so komisch reagiert, als ich die Schulparty erwähnte. »Du darfst nicht zur Fete, stimmt’s?«, fragte ich niedergeschlagen.
    Vio grinste schelmisch. »Hey, bin ich hier oder bin ich hier?«, sagte sie und legte mir vertraulich den Arm um die Schultern, ehe sie mir ihren Plan anvertraute: Sie hatte so getan, als ginge sie reumütig ins Bett. Pro forma hatte sie eine halbe Stunde gewartet und war dann aus dem Fenster gestiegen. Bei der Erdgeschosswohnung, in der sie mit ihrer Mutter wohnte, kein Problem. Sollte ihre Mutter noch mal nach ihr sehen, hatte Vio ein paar Polster so unter der Bettdecke präpariert, dass es auf den ersten Blick aussehen musste, als läge sie selbst dort.
    »Und wenn deine Mutter näher kommt und sieht, dass es nur Fake ist?«, fragte ich skeptisch. Vios Mutter war nicht blöd und das Leben keine Disney-Teenie-Komödie.
    Doch Vio reckte trotzig das Kinn: »Ich lass mir von der doch die Fete nicht versauen.«
    Stirnrunzelnd biss ich mir auf die Lippen, doch ich konnte mich nicht zurückhalten: »Das gibt richtig Stress«, unkte ich.
    Vio legte mit schmeichelndem Lächeln den Kopf aufmeine Schulter und schenkte mir von unten einen treuherzigen Blick: »Und genau da kommt dein Part, meine Süße. Ich übernachte heute bei dir. Morgen ist meine Mutter dann so krank vor Sorge, wo ihre Tochter sein könnte, dass sie froh ist, mich heil und gesund wiederzusehen, statt mich umzubringen.«
    Ich wand mich hastig aus Vios Arm: »Das ist nicht dein Ernst! Deine Mutter wird sich doch denken können, dass du bei mir bist.«
    »Dann sagst du einfach, du hast keinen Schimmer, wo ich bin, wenn sie dich anruft«, sagte Vio leichthin. »Deinen Eltern erzählen wir natürlich auch nichts. Ich schleiche mich einfach nach der Fete von der Terrasse aus in dein Zimmer – das raffen deine Alten doch überhaupt nicht.«
    Vio schien alles genau geplant zu haben. Mir war mehr als mulmig bei der Sache. Ich versuchte, sie zur Vernunft zu bringen: »Mensch, wenn du nicht nach Hause kommst, wird deine Mutter vor Panik ausrasten. Und stell dir vor, meine Eltern merken was! Dann kriegst du doppelt Ärger!«
    Vio warf trotzig ihre rote Mähne in den Nacken. »Aber wenigstens hatte ich vorher ’ne Menge Spaß«, wischte sie meine Einwände beiseite.
    Mir allerdings zitterten die Knie beim Gedanken daran, was mein Vater sagen würde, wenn er merkte, was wir da abzogen.
    »Vio«, sagte ich und versuchte betont ruhig zu klingen, »das fliegt doch sowieso alles auf und dann sitzen wir beide in der Klemme. Pass auf, ich rufe deine Mutter an und rede mit ihr …«
    Ich brach ab. Dieser Vorschlag war natürlich totaler Schwachsinn.
    Vio hatte die Hände in die Seiten gestemmt und musterte mich, als wäre ich was Grünes, Glibbriges, das ihr gerade vor die Füße geklatscht war.
    »Du bist also feige, ja?«, fragte sie und ihre Stimme klang gefährlich leise. »Lässt mich jetzt einfach hängen, oder wie?«
    »Moment mal, das ist doch überhaupt nicht der Punkt«, wehrte ich mich. »Klar kannst du bei mir schlafen, aber du musst deiner Mutter doch wenigstens …«
    Noch ehe ich den Satz zu Ende brachte, hatte Vio sich schon auf dem Absatz umgedreht und riss die Terrassentür auf. Ohne warme Jacke stürmte sie in die kalte Oktobernacht hinaus und ließ mich stumm und hilflos mitten im hell erleuchteten Zimmer stehen.

    »Lila, jetzt beruhige dich doch, sonst ist mein ganzes Werk umsonst!«
    Meine Mutter versuchte, einen lockeren Ton anzuschlagen, während sie mit Lidschattenpalette und Pinsel abwartend vor mir stand. Leider konnte ich nicht aufhören zu heulen. Die erste Lage Wimperntusche war schon komplett für die Katz und verteilte sich in schwarzen Bächen unter meinen Augen. Ich sah aus wie ein depressiver Pandabär, und ganz ehrlich: So fühlte ich mich auch. Der Knatsch mit Vio schwebte wie eine fiese, graue Regenwolke über mir.
    »Lila.« Meine Mutter nahm mich an beiden Schultern und schüttelte mich sanft. »Ich weiß, du und Vio seid die dicksten Freundinnen. Aber auch eine Freundschaft hat Grenzen. Und zwar dann, wenn es dir dabei nicht gut geht.« Ich
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