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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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bedurfte einiger Überredung, damit sie meinen Handschuh losließ, doch ein sanfter Druck dicht hinter dem Kopf zeigte Wirkung. Ich schloss die Kiste wieder, verriegelte sie und zog die Handschuhe aus. Mein rechtes Handgelenk wies zwei winzige Dellen auf, wo die Schlange zugebissen hatte, doch die Haut war unversehrt. Ich wandte mich Lynsey und ihrer Tochter zu. Tränen strömten der Mutter übers Gesicht.
    »Wir müssen sie ausziehen«, sagte ich. »Ich bin sicher, dass sie unverletzt ist, aber wir müssen nachsehen.«
    Ich lotste die beiden zum Wickeltisch, und da Lynsey anscheinend nicht fähig war, normal zu funktionieren, nahm ich ihr sanft das Baby ab und legte es hin. Dann streifte ich Strampler, Hemdchen und Windel ab und konnte es kaum fassen, wie weich die perlmuttgleiche Haut des Säuglings war.
    Das kleine Mädchen begann wie am Spieß zu brüllen. Schnell fasste ich seine Handgelenke und streckte die Ärmchen aus, dann tat ich dasselbe mit den Beinen. Schließlich drehte ich die Kleine auf den Bauch und untersuchte ihren Rücken, ihren runden kleinen Po, ihren Nacken. Alles unversehrt.
    Widerstrebend (wie seltsam, ich hatte mir nie etwas aus Babys gemacht) reichte ich das Mädchen seiner Mutter zurück. Lynsey griff nach ihrer Tochter, als sei sie ein fehlender Teil ihres eigenen Körpers, und riss sich die Bluse auf.
    Nach ein paar Minuten, während derer Lynsey anscheinend
kein Wort herausbrachte und ich nichts zu sagen hatte, hörte ich unten Schritte und eine Männerstimme. Ich ging innerlich in Abwehrstellung – Fremden zum ersten Mal gegenüberzutreten, ist immer eine Qual. Dann nahm ich die Kiste mit der Schlange und ging hinunter, um mit den Rettungshelfern zu sprechen. Während ich sorgsam jeglichen Blickkontakt vermied, erklärte ich, was geschehen war, schnappte mein Telefon und rief ein paar Abschiedsworte zu Lynsey und ihrer Tochter hinauf.
    Erst auf dem Heimweg fiel mir ein, dass ich mich gar nicht nach dem Namen des Babys erkundigt hatte und wahrscheinlich nie Gelegenheit dazu bekommen würde. Pearl, beschloss ich; so würde ich sie nennen, weil ihre Haut einer glatten, rosigen Perle glich.
    Als ich die Haustür öffnete, zeterten die Eulenküken, hoffnungsvoll wie stets, von Neuem los. Wahrscheinlich machten sie weniger Lärm als das Telefon und mein Handy, aber nur unwesentlich. Ich warf einen Blick auf das Telefon, das ich immer noch in der Hand hielt. Auf dem Display war die Nummer meiner Arbeit. Dann sah ich auf das Handy, das auf dem Tisch lag. Dieselbe Nummer. Tolle Auswahl.
    »Clara, wir kriegen Dachse rein.« Es war Harriet, meine Tierarzthelferin und Rezeptionistin. »Schwer verletzt. Sind gerade unterwegs. Wie schnell können Sie hier sein?«
    »Dachse? Mehrere?«
    »Drei Stück, halb tot. Sind heute Morgen in einem Lagerhaus am Stadtrand von Lyme gefunden worden. Sie sind wirklich übel zugerichtet.«
    Ich seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. 7 Uhr 20, und ich hatte bereits einer Giftschlange die Stirn geboten und mit drei Menschen mehr geredet, als ich es normalerweise während des ganzen Vormittags tue. Und jetzt musste ich mich mit einem ganz besonders hässlichen Fall von Dachshetze herumschlagen.

    Nach ungefähr drei Kilometern auf der A35 fuhr ich an den Straßenrand. Die Heidelandschaft dort ist ideal für Kreuzottern. Ich schleppte die Transportbox etwa hundert Meter von der Straße fort und ließ die Schlange frei. Sie verschwand in Sekundenschnelle, und ich löschte sie aus meinen Gedanken.

3
    Einer der Dachse war ein trächtiges Weibchen, das eine Viertelstunde nach der Ankunft in der Klinik seinen Wurf zur Welt brachte. Sekunden später war es tot. Die drei winzigen Jungen, kaum größer als Mäuse, wurden sofort auf die Intensivstation gebracht.
    Von den beiden übrigen Dachsen war einer, ein junges Männchen, schwerer verletzt als der andere. Über den Bauch zogen sich tiefe Wunden, Bissspuren bedeckten beide Vorderpfoten, die Schnauze war ihm halb weggerissen worden, und das eine Vorderbein gefiel mir überhaupt nicht.
    »Schweine«, knurrte Craig, der Chefpfleger, neben mir. Ich konnte ihm nicht widersprechen.
    Die Dachshetze ist in Großbritannien seit 1835 verboten, bis heute jedoch ist sie eine unserer illegalsten, grausamsten und blutigsten Vergnügungsarten. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund erfreut sie sich in den letzten Jahren im Südwesten sogar wieder größerer Beliebtheit. Die Regeln sind einfach: Man nehme einen gesunden, ausgewachsenen
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