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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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ich inne. Ich hatte sagen wollen, dass ein Kreuzotterbiss für einen gesunden Erwachsenen
nicht tödlich sei, was unter den gegebenen Umständen extrem taktlos gewesen wäre. Der letzte Mensch, der in Großbritannien am Biss einer Kreuzotter gestorben war, war ein fünfjähriges Kind gewesen. Ein Neugeborenes würde es vielleicht nicht einmal bis ins Krankenhaus schaffen.
    »Ruhe jetzt, bitte.«
    »Was soll ich tun? Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
    Sie konnte einfach nicht still sein. Ich musste sie irgendwie aus dem Zimmer schaffen.
    »Ja, aber telefonieren Sie unten, und leise. Erklären Sie die Situation, und sagen Sie, dass Ihr Baby möglicherweise sofort notärztlich versorgt werden muss. Die müssen darauf vorbereitet sein, einen Säugling zu reanimieren.«
    Widerstrebend ging sie hinaus, und ich trat an die Wiege. Meine Beine wollten mir nicht recht gehorchen, und meine Hände zitterten in den dicken Handschuhen. Es schien sehr lange her zu sein, dass ich vor einem Tier Angst gehabt hatte. Ich war zu Tigern in den Käfig geklettert und hatte Elefanten die Zehennägel geraspelt. Ich hatte vor Schmerzen tobenden Dachsen Betäubungsmittel verabreicht und einer Büffelkuh bei einer Geburt beigestanden. Ich kannte die Erregung, die Freude und natürlich auch die Nervosität, die mit so etwas einhergeht. Angst jedoch hatte ich nur selten empfunden.
    Und doch hatte ich sehr große Angst um dieses unschuldige kleine Würmchen vor mir, das seine Babyträume von Milch und Kuscheln träumte. Denn das Tier auf dem Bauch der Kleinen, das wie ein Parasit ihre Körperwärme in sich aufsog, verfügte über eine phänomenal tödliche Waffe. Schlangengift ist eine komplexe Substanz, das die Beute lähmt, tötet und anschließend deren Verdauung erleichtert. Wurde dieses kleine Wesen dort gebissen, so würden die gerinnungshemmenden Wirkstoffe im Gift der Schlange binnen Minuten verhindern, dass sein Blut sich verdickte, und es würde weiter aus der Wunde bluten. Der Säugling hätte unglaubliche Schmerzen, und schon der daraus resultierende Schock könnte ihn
töten. Nach einer Weile würden proteolytische Enzyme allmählich das Körpergewebe auflösen, und es käme zu inneren Blutungen. Schließlich würde das Fleisch des kleinen Mädchens anschwellen, ihre Haut würde sich blau verfärben, violett, sogar schwarz.
    Und das alles durch einen einzigen Biss. Nur ein einziges, blitzschnelles Zustoßen, und ihr kurzes Leben wäre zu Ende. Selbst wenn sie überlebte, würde sie schwer gezeichnet sein.
    Nun, nicht, wenn ich dabei mitzureden hatte.
    Ich atmete tief durch. Die Schlange schlief noch immer, doch das Baby – o Gott! – wachte allmählich auf. Die Kleine murmelte, streckte sich, wand sich. Wenn sie auch nur im Entferntesten meinen Nichten glich, würde sie beim Aufwachen feststellen, dass sie einen Mordshunger hatte und augenblicklich nach ihrer Mutter brüllen. Sie würde mit den Beinen strampeln und mit den Armen fuchteln. Die Schlange würde in Panik geraten und sich verteidigen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Doch selbst jetzt rührte ich mich nicht.
    Noch nie hatte ich eine wild lebende Schlange angefasst. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt schon einmal eine Kreuzotter zu Gesicht bekommen hatte, doch es bestand kein Zweifel daran, was ich hier vor mir sah. Ringelnattern sind lang und schlank, mit ovalen Köpfen. Diese Schlange war kürzer, gedrungener, mit der unverwechselbaren Zickzackzeichnung auf der dunkelgrauen Haut und dem V auf der Stirn, das für Viper steht.
    Das Baby gab einen Laut von sich, und die Schlange erwachte.
    Züngelnd richtete sie sich auf und schaute sich um; sie spürte eine Bedrohung, war sich jedoch nicht sicher, woher diese kam. Draußen war ein plötzliches Geräusch zu vernehmen. Lynsey war wieder da. Ich griff nach der Schlange. Sie fuhr herum, biss nach mir, und wir hielten uns gegenseitig gepackt.
    Als die Kreuzotter ihre Fangzähne ins Leder meiner Handschuhe
schlug, bekam ich sie mit der anderen Hand dicht hinter dem Kopf zu fassen und hob sie hoch, fort von der Wiege.
    Lynsey stieß einen unverständlichen Schrei aus und stürzte – schneller als die zustoßende Schlange, schien es mir – auf das Bett ihres Babys zu. Sie riss das Kind an sich und fing an, irgendwelche Mama-Sinnlosigkeiten zu murmeln, während ich mit dem Fuß den Deckel der Transportbox aufklappte, die ich aus meinem Kofferraum mitgenommen hatte, und die Schlange hineinfallen ließ. Es
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