Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
hat?«
    »Ja. Rose Scott hat ihn auch identifiziert. Und die Fingerabdrücke auf Violets angeblichem Testament stammen von Fain. Die Beweise gegen ihn sind ziemlich erdrückend.«
    »Kommt er vor Gericht?«
    Matt holte tief Atem. »Ich persönlich bezweifle es.«
    »Warum?«
    Mittlerweile hatten wir beinahe das Tor erreicht. Wir machten Halt und standen einander gegenüber, jeder auf einer Seite von Walters duftendem Gartenpfad. »Ich glaube, man wird ihn für verhandlungsunfähig erklären«, sagte er. »Das Gericht wird ein psychiatrisches Gutachten anordnen, auch wenn er selbst
nicht zustimmen wird. Der Mann ist vollkommen wahnsinnig.«
    »Sie scheinen sich da ja sehr sicher zu sein.«
    »Ich habe ihm in die Augen gesehen, als er diese Schlange auf mich losgelassen hat.«
    Einen Augenblick lang waren die Augen, die auf mich herabblickten, nicht mehr grau, bebrillt und ein wenig blutunterlaufen. Sie hatten die Farbe von festem Eis.
    Ich konnte Autotüren zuschlagen hören. Walter war auf dem Friedhof von St. Birinus angekommen.
    »Wann fahren Sie?«, fragte Matt, der es mit Sicherheit auch gehört hatte.
    »Nächsten Monat.« Wir mussten weiter. Bestimmt hatten sie Walter schon aus dem Leichenwagen gehoben, trugen ihn den Kirchweg hinauf.
    »Gerade jetzt, wo wir uns näherkommen«, sagte Matt.
    »Weihnachten bin ich doch wieder da«, murmelte ich. Ich bemerkte, dass auf den winzigen Rosenknospen am Tor bereits Blattläuse zu sehen waren, und dachte bei mir, dass Walter sicher gewusst hätte, was man dagegen tat.
    »Hmm«, machte Matt.
    »Was?«
    »Ich kann nachvollziehen, dass eine Tierärztin aus einem Dorf in Dorset ein Fernsehstar wird. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass sie die Rückreise antritt.«
    Wir sahen einander an, dann hob ich abermals die linke Hand und schaute nach unten.
    »Da ist keine Uhr«, sagte Matt. »Es ist zehn nach, und wir kriegen offiziell Ärger mit Reverend Percy.«
    »Das bin ich gewohnt.« Ich fuhr fort, mein Handgelenk zu betrachten, als könne wie durch ein Wunder dort eine Armbanduhr auftauchen, wenn ich nur lange genug hinschaute. »Er will unbedingt, dass ich in den Chor eintrete.«
    »Er sagt, er sieht Sie in letzter Zeit ziemlich oft.«
    Irgendwie waren wir uns näher gekommen. Ich konnte die
Wolle in Matts Jackett riechen, warm im Sonnenschein, seine Haut, sein Haar.
    »Alles okay?«, fragte er.
    Es war eine Frage, die ich wirklich nicht beantworten konnte. Im Laufe der letzten drei Wochen war ich ziemlich häufig in St. Nicholas gewesen. Irgendwie entwirrten sich in der alten Kirche meine Gedanken. Das grauenvolle, beklemmende Durcheinander aus Fain, Ulfred, dunklem Wasser und giftverseuchtem Fleisch verblasste dann, und in meinem Kopf war Platz, um Mum zu betrauern, um über die Zukunft nachzudenken. Und wenn ich Angst bekam, wenn Schatten mich zusammenfahren ließen und ich plötzlich keine Luft kriegte, dann kam ich stets zur Ruhe, wenn ich an der Orgel saß. Ein vertrauter Geruch stieg auf. Ich bückte mich und fuhr mit der Hand über die Kamille, die über Walters Pfad kroch, ehe ich mich aufrichtete und sie Matt entgegenhielt. Er griff seinerseits nach oben und drückte meine Hand fester an sein Gesicht. Ich konnte seinen Atem an meinen Fingern spüren, seinen Mund in meiner Handfläche, als die Kirchenglocke für die Toten zu läuten begann.
    Hatte ich den Glauben gefunden, den ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. War es meine Mutter, die ich in jener Nacht hörte, die mich beruhigte und leitete, als ich dem Tod ins Gesicht starrte, oder nur der bessere, stärkere Teil von mir selbst? Ich denke immer noch darüber nach. Fürs Erste weiß ich nur sicher, dass es eine Nacht gab, in der ich unter Schlangen gewandelt bin. Und sie haben mir nichts zuleide getan.

Epilog
    Clara die Krötige, der kleinere der beiden papuanischen Taipane, wurde ein paar Monate später auf einem grasbewachsenen Hang ihrer Heimatinsel freigelassen. Sechs Millionen Menschen auf der ganzen Welt würden die Filmaufnahmen sehen, wie Sean North das Schloss ihres Käfigs öffnete und sie sanft drängte, herauszukommen. Ich bin auch darauf zu sehen; ich lächelte, als die dunkelgrau und bernsteingolden gefärbte Schlange, mittlerweile fast drei Meter lang, im Sonnenlicht schimmerte und in die Freiheit davonschoss.
    Ihr größerer Bruder wurde nie wieder gesehen.

Anmerkungen der Autorin
    Das Verhalten der Schlangen und die Wirkung ihres Giftes sind in diesem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher