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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz
Autoren: Davic Pfeifer
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Hauerei zwischen Mert und Androwitsch wirkten sie feige. Vereinzelte Buhrufe wurden laut.
    Als Felix und Lukaschinsky nach dem Kampf in ihren Ecken der Kopfschutz abgenommen wurde, trug keiner der beiden mehr als ein paar Schrammen im Gesicht. Es dauerte eine Weile, bis die Punktrichter das Verhältnis ausgerechnet hatten. Felix gewann die Faustfechterei mit 58 : 53. Sein Arm wurde in die Höhe gereckt, er drückte Lukaschinsky die Hand und ging in die Ecke der Ukrainer, um sich bei den Trainern zu bedanken. Lukaschinsky tat es ihm auf der anderen Seite gleich.
    Nachdem Mert sich geduscht hatte und zurück in die Halle kam, ging Felix’ Kampf gerade in die zweite Runde. Das stark geschminkte Mädchen wartete neben der Umkleide, diesmal zwinkerte Mert zurück. Nachdem er von den fünf Mark ein Bier für sich und eins für das Mädchen gekauft hatte, sahen sie sich die letzte Runde von Felix’ Kampf an. Mert war fasziniert. Er erläuterte dem Mädchen, was sich im Ring zutrug, obwohl er sicher war, dass sie sich nicht dafür interessierte.
    Nachdem Felix’ Sieg verkündet war, zog das Mädchen Mert hinter der letzten Stuhlreihe vorbei in die hintere Ecke der Halle, wo sich das Publikum ausdünnte und dann ganz verlor. Eine kaum erkennbare Tür in der Hallenwand führte in einen Raum mit Sportgeräten. Ohne weitere Worte kam das Mädchen zur Sache. Mert begann zu schwitzen, nachdem er sich gerade erst geduscht hatte. Es dauerte keine zwanzig Minuten. Trotzdem hätte Mert beinahe wieder den Bus verpasst.
    Als er in den Bus stieg, gratulierten die meisten Kollegen, indem sie ihm die Faust entgegenstreckten, die Mert abklopfte. Während der Rückfahrt wurden alle Kämpfe ausführlich besprochen. Die Hamburger hatten triumphiert, fünf von neun Begegnungen gewonnen. Von Felix war ein Sieg erwartet worden, doch Mert machte den Unterschied.
    Ali spielte nach, mit welcher Eleganz Mert sein Bein zur Seite geführt hatte, als Androwitsch fiel. Da Ali nicht gern übersehen wurde, kompensierte er seine Erscheinung mit Show. Er ließ sich nach vorne fallen, so wie Androwitsch hingeschlagen war, dann schnellte er wieder hoch, um Merts Ausweichbewegung ein weiteres Mal nachzuahmen.
    »Unsere Dancing Queen«, rief Ali durch den Bus. »Aber der Riese war so ein Bewegungs-Spast, den hätte ich auch noch weggehauen.«
    »Wenn Mert dich nach ihm geworfen hätte!«, johlte einer der Jungs von der hintersten Sitzbank.
    »Ein K. o. macht eben mehr her«, sagte Felix zu Nadja. Er versuchte nicht beleidigt zu wirken, weshalb er sich wie ein Lehrer anhörte, der Schmierereien auf der Schultoilette entdeckt hat.
    Nadja legte ihr Buch zur Seite und fragte sich, ob sie versuchen sollte, ihn zu trösten. Wenn Felix das bemerkte, würde er beleidigt sein.
    »Du weißt, dass du heute Abend mit Abstand am besten geboxt hast, oder?«, sagte sie.
    »Darum geht es wohl nicht.«
    »Um was denn sonst?«
    »Dass man Herz zeigt. Auch wenn der andere größer und stärker ist. Deswegen meckern auch alle über Henry Maske und finden diesen Michalczewski toll.«
    »Niemand verbietet dir, aggressiver zu boxen.«
    Felix’ schmaler Mund verzog sich. Nach den intensiven Runden gegen Lukaschinsky wirkte er ausgezehrt. Nadja ahnte, wie er in zehn, fünfzehn Jahren aussehen würde.
    »Du solltest was essen«, sagte sie.
    Als der Bus auf eine Tankstelle in Witzhave zufuhr, die im Dunkel dieses trostlosen Landstrichs leuchtete, wurde der Wunsch nach Bier laut. Die Boxer verschwanden auf der Toilette und in den Verkaufsräumen.
    Mert hatte sein Geld bereits am Stand der freiwilligen Feuerwehr ausgegeben, also schlenderte er ziellos vom Bus zu den Zapfsäulen. Zwei alte VW Golf, einer grün, einer blau, mit abgedunkelten Heck- und Seitenscheiben, hielten gerade an. Mert versuchte, aus den Aufklebern am Heck der Fahrzeuge schlau zu werden. »Böhse Onkelz« stand da in Frakturschrift, und »Combat 18« in roten Lettern auf schwarzem Grund.
    Der junge Mann, der den Zapfhahn in die Seite des grünen Golfs steckte, sah Mert an. Hackfresse, dachte Mert. Aus dem blauen Golf stieg ein zweiter Mann, der aussah, als wäre er der Zwilling des ersten. Spacken, dachte Mert. Auch der zweite Mann zog einen Zapfhahn aus der Säule und begann zu tanken.
    »Hier werden nur Deutsche bedient«, rief Hackfresse. Mert begriff nicht, dass er gemeint war.
    »Verstehst du nicht? Hier werden nur Deutsche bedient!«, sagte Spacken.
    Die Türen beider Fahrzeuge wurden geöffnet. Es stiegen
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