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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia
Autoren: Stephen King
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Versicherungskarten, und an diesem Punkt bekamen die Fahrer normalerweise ihre mit ihnen durchgehenden Gefühle wieder unter Kontrolle … immer vorausgesetzt, dass niemand verletzt worden war, was hier der Fall zu sein schien. Manchmal schüttelten die betroffenen Fahrer sich zum Abschied sogar die Hände.
    Ralph bereitete sich darauf vor, das alles von seinem keine hundertfünfzig Schritte entfernten Beobachtungsposten mit anzusehen, aber sobald die Fahrertür des Datsuns aufging, wurde ihm klar, dass es hier anders laufen würde - dass der Unfall womöglich noch nicht vorbei war, sondern immer noch andauerte. Auf jeden Fall sah es nicht danach aus, als würde man sich am Ende dieser Festivitäten die Hände schütteln.
    Die Tür schwang nicht auf, sie flog auf. Ed Deepneau sprang heraus, um dann einfach stocksteif neben seinem Auto stehen zu bleiben. Seine schmalen Schultern strafften sich vor dem Hintergrund der dunkler werdenden Wolken. Er trug verblichene Jeans und ein T-Shirt, worauf Ralph feststellte, dass er Ed bis zum heutigen Tag nie in einem Hemd ohne Knopfleiste vorn gesehen hatte. Außerdem lag ihm etwas um den Hals: ein langes weißes Etwas. Ein Schal? Es sah wie ein Schal aus , aber warum sollte jemand an einem so heißen Tag einen Schal tragen?

    Ed stand einen Moment neben seinem angeschlagenen Auto und schien in jede Richtung zu sehen, nur nicht in die richtige. Die ruckartigen kleinen Bewegungen seines schmalen Kopfs erinnerten Ralph an Hähne, die ihre Höfe absuchten und nach Eindringlingen und Störenfrieden Ausschau hielten. Etwas an dieser Ähnlichkeit erfüllte Ralph mit Unbehagen. Er hatte Ed noch nie so gesehen, und er schätzte, das Unbehagen hing damit zusammen, aber nicht nur . Die Wahrheit war schlicht und einfach: Er hatte überhaupt noch nie jemand auf diese Art schauen gesehen.
    Der Donner grollte jetzt lauter im Westen. Und näher.
    Aus dem Mann, der aus dem Ranger ausstieg, hätte man zwei Ed Deepneaus machen können, möglicherweise drei. Sein gewaltiger, feister Bauch hing über den umgerollten Bund der grünen Chinoarbeitshose; und er hatte Schweißflecken so groß wie Essteller unter den Achseln seines weißen Hemds mit dem offenen Kragen. Er drückte den Schirm seiner West Side Gardeners Truckerkappe hoch, um sich den Mann genauer anzusehen, der ihn volle Breitseite erwischt hatte. Sein hängebackiges Gesicht war totenbleich, abgesehen von ein paar knallroten Flecken oben über den Wangenknochen, die wie Rouge wirkten, und Ralph dachte: Das ist ein Spitzenkandidat für einen Herzanfall. Wenn ich näher dran wäre, könnte ich todsicher die Falten in seinen Ohrläppchen sehen.
    »He!«, schrie der schwergewichtige Kerl Ed an. Die Stimme, die aus der breiten Brust und dem gewaltigen Bauch kam, klang grotesk dünn, fast schrill. »Wo hast du denn deinen Führerschein her? Vom Versandhaus Sears and Roebuck, verdammt?«

    Eds kreisender, nickender Kopf zuckte sofort in die Richtung, aus der die Stimme des großen Mannes kam - schien fast darauf einzuschwenken wie ein vom Radar geleiteter Düsenjäger -, und nun konnte Ralph zum ersten Mal richtig in Eds Augen sehen. Der Schreck durchzuckte seine Brust wie ein Blitz und plötzlich rannte er zur Unfallstelle. Derweil ging Ed auf den Mann im schweißnassen weißen Hemd und der Truckerkappe zu. Er stolzierte mit steifen Beinen und gereckten Schultern, ganz anders als sein gewohntes, lässiges Schlendern.
    »Ed!«, rief Ralph, aber die frische Brise - inzwischen kalt und regenschwanger - schien die Worte mit sich zu reißen, bevor sie richtig aus seinem Mund gekommen waren. Ed drehte sich auf jeden Fall nicht um. Ralph zwang sich, schneller zu laufen, und vergaß seine schmerzenden Beine und das Pochen unten im Rücken. Er hatte Mordlust in Eds aufgerissenen, starren Augen gesehen. Er besaß überhaupt keine einschlägigen Erfahrungen, mit denen er sein Urteil hätte begründen können, aber er glaubte nicht, dass man einen derart unverhohlenen Blick missverstehen konnte; es war der Blick, den Kampfhähne wohl hatten, wenn sie mit aufgerichteten, messerscharfen Sporen aufeinander losgingen. »Ed! He, Ed, warte! Ich bin es, Ralph!«
    Nicht einmal ein Blick zurück, obwohl Ralph jetzt so nahe war, dass Ed ihn gehört haben musste, Wind hin oder her. Der schwergewichtige Mann drehte sich auf jeden Fall um, Ralph konnte Angst und Unsicherheit in seinen Augen sehen. Dann wandte sich der Schwergewichtige wieder an Ed und hob beschwichtigend
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