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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf
Autoren: Annika von Holdt
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einem Gebäude, das ein Schild als medizinische und chirurgische Klinik auswies.
    »Tut es sehr weh?«, fragte er, als er die Tür öffnete und ihr beim Aussteigen half. »Du bist blass.«
    Es tat ziemlich weh; der Finger fühlte sich an wie durch einen Fleischwolf gedreht, und das Küchentuch war schon blutdurchtränkt, aber sie schüttelte den Kopf und sagte: »Es geht schon.«
    Bondurant stand neben ihr in dem ambulanten OP-Raum des Krankenhauses.
    »Sie haben aber einen besonderen Namen«, fand der Arzt, ein junger Inder in schneeweißem Kittel, der aussah, als hätte er sein Staatsexamen mindestens ein Jahr zu früh gemacht. »Wie wird er ausgesprochen?«
    »Mary«, antwortete Máire.
    »Versuchen Sie hin und wieder, sich mit Haushaltsgeräten umzubringen, Máire?«, wollte er wissen, während er eine Spritze aufzog.
    Máire musste lächeln und zuckte die Achseln, weil sie nicht wusste, was sie erwidern sollte.
    »Können Sie die bitte da drüben auf den Tisch stellen?«, fragte der Arzt und reichte Bondurant eine Flasche mit Betäubungsmittel.
    Bondurant nahm die Flasche und starrte mit hochgezogenen Brauen auf das Etikett. »Das ist doch wohl kein Lokalanästhetikum mit Adrenalin?«, erkundigte er sich.
    Der Arzt musterte erst ihn und dann die Spritze. »Ähm, doch. Das Adrenalin sorgt dafür, dass sich die Blutgefäße zusammenziehen. Dann blutet die Verletzung nicht so stark«, erklärte er.
    »Ja, genau«, gab Bondurant zurück. »Und genau deshalb sollte das nicht bei Fingern oder Zehen angewendet werden, denn dann ist das Risiko für Wundbrand stark erhöht, weil das Adrenalin die Blutversorgung verringert.«
    Der Arzt schwieg und sah Bondurant an. »Da haben Sie recht. Gut, dass einer von uns aufpasst. Ich hole sofort ein anderes Betäubungsmittel. Sie haben es gleich überstanden«, sagte er an Máire gewandt.
    Es hatte aufgeklart, und die Sonne schien, als sie sich von dem Arzt verabschiedet hatten und ins Freie getreten waren. Als sie Arm in Arm zum Auto gingen, fragte Máire: »Woher wusstest du denn das mit dem Adrenalin? Lernt man so was etwa auf der Polizeischule?«
    Er sah sie an und schmunzelte, dann wandte er den Blick wieder ab und sagte: »Nein, ich habe früher mal Medizin studiert.«
    »Wirklich?«
    »Ja, acht Semester.«

Epilog
     
    Ich spüre dich, auch wenn du weit weg bist, und es ist, als hieltest du mich fest bis zum nächsten Mal, wenn wir wieder tanzen – falls wir jemals wieder miteinander tanzen.
    Ich denke an Rot, an Straßen mit Kopfsteinpflaster, an Trauben und Blut, an Zypressen und Rauch, der aus einem Schornstein aufsteigt … ich denke an die Asche der Toten und an weiße Calla-Lilien. Jede einzelne Note erinnert mich an dich … dich …
    Dich … meine Mortebella.
    Du erweckst Träume in mir wieder, ein Gefühl von Glut und sprühenden Funken. Wenn ich an dich denke, kommen mir die Tränen.
    Und ich träume.
    Wieder.
    Ich will deine Dunkelheit, deine Abwesenheit, deine Stille.
    Ich will dich.
    Wenn auch nur für einen Augenblick.
    Wenn du schläfst wie die Toten.
     

Nachwort der Autorin
     
    Das NCIC (National Crime Information Center der USA) registrierte 778 161 Vermisstenmeldungen im Jahr 2008. Etwa zweihundert dieser vermissten Personen wurden den Angaben zufolge von einem Fremden entführt und konnten nicht wiedergefunden werden. Auch wenn dieser Roman, den Sie in den Händen halten, von dieser Statistik inspiriert worden ist, ist die Handlung frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen oder Begebenheiten ist rein zufällig.
     
    Vier Südstaatenstädte – Savannah, Garden City, Charleston und Charlotte – dienen diesem Roman als Kulisse: in erster Linie, um das richtige Lokalkolorit einzufangen, aber auch, weil mir der Bibelgürtel sehr am Herzen liegt, da ich mich dort längere Zeit aufgehalten habe. Einige Orte und Friedhöfe des Romans gibt es in Wirklichkeit nicht; ich habe mir die künstlerische Freiheit genommen, sie für meine Zwecke zu erfinden. Außerdem bin ich sicher, dass die Polizisten von Garden City und Savannah kluge, pflichtbewusste Menschen sind, die nichts Böses im Schilde führen.
    Den Bonaventure-Friedhof in Savannah, der abgesehen von seiner eigentlichen Verwendung auch eine große Touristenattraktion ist, gibt es natürlich, und falls Sie mal in der Gegend sein sollten, kann ich Ihnen einen Besuch nur wärmstens empfehlen. Vergessen Sie jedoch nicht, dass die Pforten um fünf Uhr geschlossen werden. Und sollten Sie (ebenso wie
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