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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf
Autoren: Annika von Holdt
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Frauen.«
    »Ja, aber wie hätten Sie das denn merken sollen … ich meine, man kann unmöglich in einen Menschen hineinsehen … das Umfeld ist immer geschockt, wenn sich herausstellt, dass der Nachbar ein psychopathischer Serienmörder ist. Das hätte niemand für möglich gehalten – er war ja so ein netter Mann. So heißt es dann immer. Sie konnten ja nicht wissen …«
    Er machte eine ausholende Geste, und sie beschloss, ihn nicht weiter aufzumuntern. Stattdessen fragte sie: »Wer hat denn das Haus in Brand gesteckt?«
    »Wir wissen noch nicht, ob es sich um Brandstiftung handelt. Möglicherweise hat LeBelle das Feuer gelegt, um Beweise zu vernichten. Oder es hat ein Blitz eingeschlagen.«
    »Die Waffe Gottes?«
    »Tja. Früher oder später trifft es wohl jeden von uns.«
    Draußen vor dem Fenster löste sich ein Vogelschwarm aus der Krone einer Eiche, und die Vögel verteilten sich wie Fledermäuse am Himmel.
    »Und C.J.?«, fragte Máire.
    »Dazu kann ich leider nichts sagen. Die Leichen sind noch nicht identifiziert worden. Aber die Überreste werden untersucht und fotografiert.« Bondurant ließ die Jalousie herunter, und das schwache Licht der Morgendämmerung drang kaum noch ins Zimmer. Er stand am Fenster und betrachtete Máire mit leidenschaftlichem Interesse.
    Máire erwiderte unsicher seinen Blick und lächelte verwirrt. Ihr kam es vor, als wäre sie zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort, als träte sie durch einen Vorhang, und sie fühlte sich plötzlich auf ganz unerwartete Weise verloren. Sie wollte für niemanden mehr irgendetwas fühlen. Doch ihr Puls begann zu rasen, und sie schlang die Arme um ihren Körper.
    Es entstand eine lange Pause, dann fragte er: »Warum weichen Sie meinem Blick aus? Warum sehen Sie mich nicht an?«
    »Ich weiß nicht«, murmelte sie.
    »Oder bilde ich mir das nur ein?«
    »Was?«
    Er machte eine ausholende Geste. »Und diese …«
    Máire spürte ihren Puls hinter den Schläfen pochen. »Was?«, fragte sie wieder.
    »Diese Art, wie Sie mich anstarren, wenn Sie glauben, dass ich es nicht sehe.«
    Sie wollte etwas erwidern, aber ihr versagte die Stimme. Der bohrende Blick, der auf ihr ruhte, war so durchdringend, dass sie sicher war, er wusste, was hinter ihrer Fassade vor sich ging. Sie schluckte und schüttelte langsam den Kopf.
    Er trat näher. »Hast du nicht Lust, dich auszuziehen?«, fragte er leise und blickte sie unverwandt an.
    Máire schwieg, wusste nicht, wie sie seine Worte deuten sollte. Bevor sie antworten konnte, machte er noch einen langsamen Schritt auf sie zu. Sein finsterer Blick bohrte sich ohne ein Blinzeln in ihren. Wie in Zeitlupe hob er einen Arm, berührte mit einem Finger leicht ihre Schulter. »Ich mag dich«, sagte er und sah sie forschend an. »In der Nacht, als du in mein Büro gekommen bist, wusste ich, dass du keine Ruhe geben würdest. Ich mag Frauen, die nicht so schnell aufgeben.«
    Máire rührte sich nicht, aber ihr Herz schlug doppelt so schnell, und sie spürte seine Wärme. Oh Gott, was soll das?, dachte sie. Was mache ich hier? Wieso stehe ich hier? Wenn bloß mein Herz nicht so rasen würde!
    »Was hältst du von mir?«, fragte er rundheraus und ließ den Blick prüfend auf ihrem Gesicht ruhen, während er eine Haarsträhne aus ihrer Stirn strich. Eine pulsierende Ader zeichnete sich so deutlich an seiner Schläfe ab, als wäre sie in Stein gemeißelt.
    »Eine ganze Menge …« Máire sprach so leise, dass er sie kaum hören konnte. »Ich bin hier. Oder etwa nicht?«, sagte sie. Ihre Widerstände schwanden. Sie wollte ihn gern berühren, aber die Hände wollten ihr nicht gehorchen.
    Sie konnte seine Zähne schimmern sehen, als er lächelte. »Hmmm … doch, das bist du! Und ich bin froh, dass du da bist.«
    Sie sahen sich an, und die Stille im Raum war spürbar. Dann beugte er sich in ihren Schatten und küsste sie zärtlich auf den Mund, küsste ihre Wangen und ihren Hals, während seine Hände auf ihrem Rücken spielten, und Máire spürte, wie sie immer weiter davonglitt, bis es kein Zurück mehr gab. Im Hintergrund begann der Regen plötzlich heftig, gegen das Fenster zu prasseln.
    Er zog ihr die Bluse aus und knöpfte ihre Shorts auf, wortlos und ohne um Erlaubnis zu fragen. Sie ließ es geschehen. Dann schob er den Bettüberwurf zur Seite und legte sie auf das Laken.
    Máires Herz pochte, während er sich auszog und sein T-Shirt auf einen Lehnstuhl warf. Das Zimmer begann zu schwanken und unwirklich zu werden, als
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