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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf
Autoren: Annika von Holdt
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und hielt einen Mixer in die Höhe. »Alt, aber er funktioniert. Was möchtest du denn? Orangensaft?«
    Ein Mixer, dachte Máire und musste schmunzeln. Männer! Na, dann musste sie das Fruchtfleisch eben hinterher absieben. »Das kann ich doch machen!«
    »Nein, das mache ich schon. Und solange ich damit beschäftigt bin, kannst du mir ja erzählen, warum du das getan hast.«
    »Was denn?«, fragte Máire.
    »Dich für die Suche nach C.J. einzusetzen.«
    Máire zuckte die Schultern. »Es war Freitagabend … und den Spielfilm im Fernsehen kannte ich schon.«
    Er nickte und lächelte. »Das kenne ich«, meinte er. »Besser, als ich zugeben würde.«
    »Einsam?«, fragte Máire.
    »Oft.«
    »Und was ist mit der Frau, die hier mal gewohnt hat?«
    »Ach, die!« Er warf Máire einen kurzen Blick zu. »Das ist eine lange Geschichte, die besser begann, als sie endete. Die Kurzversion geht so: ein hübsches kluges Mädchen mit der einen oder anderen Schwäche im Gepäck. Es ist ja nie so, dass man die Schwächen nicht schon im Voraus entdeckt. Das tut man sehr wohl, man sieht sie alle. Man hört auch die inneren Stimmen, die rufen: Sieh dich vor! Verbrenn dir nicht die Finger! Sie hatte sogar ein großes Schild um den Hals hängen, auf dem stand: FRISCH GESTRICHEN. Aber ich musste sie natürlich berühren, um mich zu überzeugen.« Er fuhr mit seltsam tonloser Stimme fort: »Geistig verwirrt. Im einen Augenblick manisch, im anderen depressiv. Sie hat auch versucht, sich mit Alkohol umzubringen. Mit ihr zu leben, hat sich irgendwie so angefühlt, wie an eine Zeitbombe gekettet zu sein. Ich habe mir eine Zeit lang eingebildet, ich könnte sie vor sich selbst retten. Aber manchmal begegnet man seinem Schicksal genau auf dem Weg, den man geht, um ihm zu entkommen.« Er schwieg einen Moment und schüttelte den Kopf. »Jetzt liegt sie auf dem windgeschüttelten kleinen Friedhof in Gloucester … mit all ihren Träumen.«
    Máire nickte und senkte den Blick.
    »Aber das trifft auch auf deine Träume zu, oder? Du hast sie auch begraben, meine ich.«
    Máire sah auf.
    »Das sind dann die Geschichten, die man bei ein paar Drinks auseinandernimmt«, meinte er.
    »Ja …«
    Es wurde still, dann fragte er: »Wie hast du LeBelle eigentlich gefunden?«
    Das Telefon im Flur klingelte, und er stand auf. »Okay«, sagte er. »Meine Küche ist deine Küche. Im Korb da drüben liegt Obst!« Er deutete auf einen großen Korb auf dem Küchentisch und verschwand.
    Máire schälte zwei große Orangen, wickelte das Kabel des Mixers ab und schob den Stecker in die Steckdose. Sie gab die Früchte in den Kunststoffbehälter und drückte den Startknopf. Der Mixer begann, laut zu knattern, Funken flogen aus der Steckdose und der Motor stand abrupt still. Máire kratzte sich am Kopf und prüfte den Stecker. Nichts passierte. Sie seufzte. Vielleicht hat es einen Kurzschluss gegeben? Oder irgendetwas in dem verdammten Ding klemmte? Sie zögerte, dann steckte sie eine Hand in den Behälter und entfernte mit einem Finger das Fruchtfleisch von dem Messer. Sie spürte das kalte Metall, und genau in diesem Augenblick begann der Motor wieder zu surren, und ein stechender Schmerz durchzuckte sie. Máire schrie auf. Dann stoppte der Mixer wieder, nachdem der Motor ein paarmal vergeblich versucht hatte, das Messer zu drehen. Máire merkte, wie das warme Blut in ihren Fingern pulsierte. Ängstlich betrachtete sie das dreigezackte Messer, dessen eine Schneide sich tief in ihren Finger gebohrt hatte, und sie begann, erschrocken zu schluchzen.
    »Was ist passiert? … Herrje!« Bondurant kam in die Küche und starrte auf das Blut. »Das sieht ja übel aus, muss bestimmt genäht werden. Sofort!«
    Máire befreite ihren Finger langsam und vorsichtig von der kurzen Schneide. Übelkeit stieg in ihr auf, und sie holte tief Luft. Unter Schock und besorgt starrte sie auf den Zeigefinger. Die Fingerkuppe war nach unten geklappt und baumelte nur noch an einem dünnen Hautfaden. Máire stöhnte und zog die Hand behutsam aus dem Kunststoffbehälter. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie drohte in Ohnmacht zu fallen. Bondurant griff ihr unter die Arme und wickelte rasch ein Küchentuch um ihre blutende Hand, legte einen Eisbeutel darauf und brachte sie schnell zum Auto.
    Draußen war es unerträglich heiß, und es regnete noch immer. Máire schwitzte hauptsächlich wegen der Schmerzen.
    Es war kaum Verkehr, und sieben Minuten später hielt Bondurant unter einer Überdachung vor
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