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Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5
Autoren: Kurt Vonnegut
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gehoben, und der Boden des Aufzugs ging nach unten, wich unter ihm weg, und der obere Teil zerquetschte ihn. So geht das.
     
    Ich sagte das also telefonisch durch, und die Frau, die die Rohfassung machen sollte, fragte mich: »Was sagte seine Frau! «
    »Sie weiß es noch nicht « , antwortete ich. »Es ist gerade erst passiert. «
    »Rufen Sie sie an und machen Sie einen Bericht. «
    »Was? «
    »Sagen Sie, Sie seien Polizeihauptmann Finn. Sagen Sie, Sie hätten eine traurige Nachricht. Teilen Sie ihr die Nachricht mit und warten Sie ab, was sie sagt. «
    Das tat ich. Sie sagte ungefähr das, was man in einem solchen Fall von ihr erwarten würde. Es sei ein Baby da. Und so fort.
     
    Als ich in die Redaktion zurück kam, fragte mich die Stenografin, nur eben zu ihrer eigenen Information, wie der zerquetschte Mann ausgesehen habe, als er zerquetscht worden war.
    Ich sagte es ihr.
    »Ging es Ihnen an die Nieren? « wollte sie wissen.
    Sie aß dabei eine Drei-Musketiere Schokoladenstange.
    »Teufel nein, Nancy « , sagte ich. »Ich habe viel Schlimmeres als das im Krieg gesehen. «

    Sogar damals schrieb ich angeblich ein Buch über Dresden. Es war nun, wo ich wieder in Amerika war, kein berühmter Luftangriff. Nicht viele Amerikaner wußten beispielsweise, wieviel schlimmer er gewesen war als Hiroshima. Ich wußte das auch nicht. Es war nicht viel an die Öffentlichkeit gedrungen.

    Ich erzählte einem Professor von der Universität Chicago bei einer Cocktailparty von dem Luftangriff, wie ich ihn gesehen hatte, von dem Buch, das ich schreiben würde. Er war Mitglied einer Sache, die sich »Komitee für soziales Denken « nannte. Und er erzählte mir von den Konzentrationslagern und wie die Deutschen Seife und Kerzen aus dem Fett toter Juden gemacht hatten und so fort.
    Alles, was ich sagen konnte, war: »Ich weiß, ich weiß, ich weiß. «

    Der zweite Weltkrieg hatte jedenfalls jedermann sehr hart gemacht. Und ich wurde ein Public-Relation-Mann für General Electric in Schenectady, Staat New York, und ein freiwilliger Feuerwehrmann in dem Dorf Alplaus, wo ich mein erstes Haus kaufte.
    Mein Chef dort war einer der abgebrühtesten Burschen, denen ich hoffentlich je begegnet bin. Er war Pressechef für Public Relations in Baltimore gewesen. Während ich in Schenectady war, trat er der niederländischen reformierten Kirche bei, die tatsächlich eine sehr strenge Kirche ist.
    Er pflegte mich manchmal höhnisch zu fragen, warum ich kein Offizier gewesen sei, als hätte ich etwas Unrechtes getan.

    Meine Frau und ich hatten unseren Babyspeck verloren. Es waren unsere mageren Jahre. Wir hatten eine Menge magerer ehemaliger Kriegsteilnehmer und ihre mageren Frauen zu Freunden. Die nettesten Kriegsteilnehmer in Schenectady, so fand ich, die freundlichsten und ulkigsten, diejenigen, die den Krieg am meisten verabscheuten, waren jene, die wirklich gekämpft hatten.
    Ich schrieb damals an die Luftwaffe und bat um Einzelheiten über den Angriff auf Dresden — wer ihn befohlen hatte, wie viele Maschinen daran teilgenommen hatten, warum er gemacht worden war, welche wünschenswerten Ergebnisse er gehabt hatte und so weiter. Ich bekam Antwort von einem Mann, der wie ich im Dienst der öffentlichen Meinungsforschung stand. Er sagte, es täte ihm leid, aber diese Informationen seien noch streng geheim.
    Ich las diesen Brief meiner Frau vor und sagte:
    »Geheim? Mein Gott — wem gegenüber? «
    Wir waren damals Vereinigte-Welt-Föderalisten.
    Ich weiß nicht, was wir jetzt sind. Telefonierer, nehme ich an. Wir telefonieren viel — oder ich jedenfalls tue es, spät nachts.

    Vierzehn Tage später rief ich meinen alten Kriegskameraden Bernard V. O'Hare an, ich fuhr auch wirklich zu ihm. Das muß im Jahr 1964 oder so gewesen sein — oder was immer das letzte Jahr der NewYorker Weltausstellung war. Eheu, fugaces labuntur anni. Ich heiße Yon Yonson. Ein junger Mann aus Stambul.
    Ich nahm zwei kleine Mädchen mit, meine Tochter Nanny und ihre beste Freundin Allison Mitchell. Sie waren nie zuvor aus Cape Cod hinausgekommen.  Wenn wir einen Fluß sahen, mußten wir anhalten, damit sie an seinem Ufer stehen und eine Weile über ihn nachdenken konnten. Sie hatten nie vorher Wasser in dieser langen und schmalen, salzlosen Form gesehen. Der Fluß war der Hudson. Es gab Karpfen darin, und wir sahen sie. Sie waren groß wie Atomunterseeboote.
    Wir sahen auch Wasserfälle, von den Felsen in das Tal des Delaware abstürzende Wildbäche. Es gab
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