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Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5
Autoren: Kurt Vonnegut
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und drehte seinen mageren Hals in dem Versuch, jemanden dabei zu ertappen, wie er habgierig auf seinen Sack schaute.
    Und er knallte den Sack auf den Rist meines Fußes.
    Ich glaubte, dieses Hinknallen sei unbeabsichtigt.
    Aber ich irrte mich. Er mußte einfach jemandem zeigen, was in dem Sack war, und er war zu dem Schluß gekommen, daß er mir vertrauen konnte. Er hielt meinen Blick fest, zwinkerte mir zu, öffnete den Sack. In ihm war ein Gipsmodell des Eiffelturms. Es war vergoldet. Eine Uhr war daran angebracht.
    »'ne tolle Sache « , meinte er.

    Und wir wurden in ein Erholungslager nach Frankreich geflogen, wo wir Malzmilchgetränke mit Schokolade und andere reichhaltige Kost bekamen, bis wir überall Babyspeck angesetzt hatten. Dann schickte man uns nach Hause, und ich heiratete ein hübsches Mädel, das auch Babyspeck angesetzt hatte.
    Und wir bekamen Babys.
    Und sie sind jetzt alle erwachsen, und ich bin ein alter Furz mit seinen Erinnerungen und seinen Fall Mails. Ich heiße Yon Yonson, arbeite in Wisconsin, in einem Sägewerk.
    Manchmal versuche ich spätabends, nachdem meine Frau zu Bett gegangen ist, alte Freundinnen anzurufen. »Fräulein von Amt, könnten Sie mir vielleicht die Nummer von einer Frau Soundso geben. Ich glaube, sie wohnt da und da. «
    »Bedaure, mein Herr. Sie steht nicht im Verzeichnis. «
    »Danke, Fräulein. Jedenfalls besten Dank. «
    Und ich lasse den Hund hinaus oder lasse ihn herein, und wir reden ein wenig miteinander. Ich gebe ihm zu verstehen, daß ich ihn mag, und er gibt mir zu verstehen, daß er mich auch mag. Ihn stört der Geruch nach Senfgas und Rosen nicht.
    »Du bist in Ordnung, Sandy « , sage ich zu dem Hund. »Weißt du das, Sandy? Du bist okay. «
    Manchmal drehe ich das Radio an und lausche auf ein Vortragsprogramm aus Boston oder New York.
    Ich kann Schallplattenmusik nicht ausstehen, wenn ich ziemlich viel getrunken habe.
    Früher oder später gehe ich zu Bett, und meine Frau fragt mich, wieviel Uhr es ist. Sie muß immer die Zeit wissen. Manchmal weiß ich es nicht und sage: »Was weiß ich! «

    Ich denke mitunter an meinen Bildungsgang. Nach dem zweiten Weltkrieg besuchte ich eine Zeitlang die Universität von Chicago. Ich war Student der Anthropologie. Damals lehrte man, daß überhaupt kein Unterschied zwischen irgend jemand bestehe. Das lehren sie vielleicht noch immer. Etwas anderes, was sie lehrten, war, daß niemand lächerlich ober böse war. Kurz bevor mein Vater starb, sagte er zu mir:
    »Weißt du, du hast nie eine Geschichte mit einem Bösewicht darin geschrieben. «
    Ich erwiderte ihm, das sei eines der Dinge, die ich nach dem Krieg im College gelernt habe.
    Während ich studierte, um Anthropologe zu werden, war ich auch als Polizeiberichterstatter für das berühmte Chicago City News Büro für achtundzwanzig Dollar in der Woche tätig. Einmal versetzte man mich von der Nacht- zur Tagschicht, so daß ich sechzehn Stunden durcharbeitete. Wir wurden von allen Zeitungen der Stadt, der Associated Press, der United Press und alledem unterstützt. Und wir berichteten über die Gerichtsverhandlungen, die Polizeistationen, die Feuerwehr und die Küstenwache am Michigansee und all das. Wir standen in Verbindung mit den Institutionen, die uns mit Rohrpost, deren Rohrleitungen unter den Straßen von Chicago herliefen, unterstützten.
    Die Reporter sagten Stenografen, die mit Kopfhörern ausgerüstet waren, telefonisch ihre Geschichten durch, und die Stenografen übertrugen den Text auf einen Vervielfältigungsapparat. Die Geschichten wurden abgezogen und in die Blech- und Samtpatronen gesteckt, welche die Rohrleitungen aufnahmen.  Die abgebrühtesten Reporter und Stenografen waren Frauen, die den Posten von in den Krieg geschickten Männern übernommen hatten.
    Und die erste Geschichte, die ich berichtete, mußte ich durchs Telefon einem dieser ekligen Mädchen diktieren. Sie handelte von einem jungen ehemaligen Frontkämpfer, der eine Stellung in einem Geschäftshaus angenommen hatte, wo er einen altmodischen Aufzug bediente. Die Aufzugstür im ersten Stock bestand aus einem verzierten Eisengitter.
    Eiserner Efeu wand sich in und aus den Öffnungen.  Es gab einen eisernen Zweig mit einem darauf sitzenden eisernen unzertrennlichen Vogelpärchen.
    Der ehemalige Kriegsteilnehmer wollte sein Fahrgestell ins Kellergeschoß fahren, er schloß die Tür und startete nach unten, aber sein Ehering verfing sich in all den Verzierungen. So wurde er in die Luft
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