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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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Boden auf. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch das Fußgelenk. Das Kreischen der Motoren brach unvermittelt ab. Nailer sah nach oben. Sein Vater baumelte über ihm – seine eine Körperhälfte war in das Getriebe der Tragflächen geraten. Er versuchte, mit dem freien Arm zwischen die Zahnräder zu fassen. Auf seinen Lippen hatten sich Blutblasen gebildet.
    » Verdammt«, sagte er. Er wirkte eher verwirrt denn entsetzt. Wieder versuchte er sich zu befreien. Nailer bekam eine Gänsehaut. Lopez hätte längst tot sein müssen, aber er kämpfte noch immer um sein Leben. In seinem Slide-Rausch, das Blut voller Amphetamine, wollte er nicht begreifen, in was für einer Lage er sich befand. Einen entsetzlichen Augenblick lang befürchtete Nailer, sein Vater könne überhaupt nicht sterben, sondern würde sich befreien und ihn weiter verfolgen.
    Richard starrte zu ihm hinunter. » Komm her, mein Junge.«
    Nailer schüttelte den Kopf und wich zurück. Seine freie Hand machte sich wieder am Getriebe zu schaffen. » Was zum Teufel hast du da getan?« Er starrte die Zahnräder an, von denen Blut tropfte. Im trüben Schein der LED -Lämpchen war es fast schwarz. » So schnell geb ich nicht auf«, sagte sein Vater, den Blick weiter starr auf Nailer gerichtet. » Warte du nur!«
    Aber seine Stimme hatte bereits jede Kraft verloren. Nailer starrte zu dem Mann hinauf, der ihn sein ganzes Leben lang terrorisiert hatte. Plötzlich war Richard Lopez nicht mehr der unberechenbare Angeber, der er gewesen war, sondern ein erbärmlicher Mann, der seinen Sohn um Hilfe anflehte.
    » Komm schon, Nailer«, krächzte er. » Ich bin doch dein Vater. Lass mich nicht sterben.« Er streckte die Hand nach Nailer aus. Versuchte zu lächeln. Leckte sich das Blut von den Lippen. » Bitte«, sagte er. Und dann, noch leiser: » Es tut mir leid.«
    Nailer zitterte vor Abscheu am ganzen Körper. Er warf einen letzten Blick auf seinen Vater, dann wandte er sich ab, um zu Nita zurückzuhumpeln.
    Fast wäre er an der Tür in sie hineingerannt, und er schrie laut auf, bevor er sie erkannte. Sie hielt sein Messer in der Hand. » Vielen Dank für das Messer«, sagte sie. » Wo ist …« Sie stieß ein lautes Keuchen aus.
    Nailer packte sie an der Schulter und schob sie hinaus. » Komm.« Er eilte den Korridor entlang, wobei er halb damit rechnete, dass sein Vater ihm etwas nachrufen würde, aber er hörte nichts.
    » Wohin gehen wir?«, japste sie.
    » Wir müssen hier raus.« Er zog sie zu einer Leiter, die nach oben führte. Plötzlich erbebte das Schiff und rollte herum. Offenbar hatte der Hauptmast schließlich doch nachgegeben. Jetzt hingen sie endgültig kopfüber. Wo früher das Oberdeck gewesen war, war jetzt das Meer. » Das Schiff liegt auf dem Bauch«, murmelte er. » Wir können nicht da runter.« Er spähte in den Schacht hinab. Dieser hatte sich bereits halb mit Wasser gefüllt. Das dahinterliegende Deck war also schon ganz überflutet.
    » Können wir hinausschwimmen?«, fragte Nita.
    » Nicht im Dunkeln. Wir wissen ja nicht mal, wohin.« Das Wasser stieg weiter. » Wir gehen unter.« Verzweiflung drohte ihn zu überwältigen.
    Nita starrte das Wasser an. » Dann müssen wir nach oben, richtig?« Sie schüttelte ihn. » Nach oben!« Sie riss ihn am Arm. » Komm schon! Wir müssen einen Weg zum Kiel finden.«
    » Was willst du denn dort?«, fragte er.
    » Das Schiff sinkt, ja? Irgendwo dringt also Wasser ein. Und dieses Leck müssen wir finden!«
    Nailer nickte zustimmend, hielt Nita aber fest und zog sie in eine andere Richtung. » Hier lang. Wir müssen durch die Laderäume. Und die sind da drüben!«
    » Woher willst du das wissen?«
    » Ich bin ein Schiffsbrecher.« Nailer lachte. » Wenn du lange genug Schiffe auseinandernimmst, kennst du sie irgendwann alle.« Sie rannten die Decke eines Korridors entlang und kletterten eine Leiter hinauf. Dann folgten sie einem weiteren Korridor, den Boden über ihren Köpfen. » Dort!« Nailer lächelte, als er die Leiter entdeckte, wo die Mannschaft sich bemüht hatte, den Frachtraum abzudichten.
    » Pass auf«, sagte er, als er das Messer an einer Dichtung ansetzte.
    » Warum?«
    » Gleich steht hier alles unter Wasser!«
    Nita packte mit der einen Hand eine Messingarmatur und mit der anderen Nailers Gürtel. Sie nickte ihm zu. » Okay.«
    Nailer fuhr mit der Klinge über die Membran, die die Mannschaft in der vergeblichen Hoffnung, das Schiff zu retten, angebracht hatte. Die Kunststoffschicht platzte
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