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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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schloss. Es war eine Mannschaftskabine – Decken und Kleider lagen überall wild durcheinander. Die Stiefel trampelten vorbei.
    Nailer holte tief Luft und legte die Hand auf den Türgriff. Inzwischen lag das Schiff so weit auf der Seite, dass es schwierig war, voranzukommen. Die Tür in der Wand wurde allmählich zu einer Tür im Boden. Er musste sie tatsächlich hochheben, und dann taumelte er zur anderen Seite des Korridors hinüber, bevor er sein Gleichgewicht wiederfand. Das Schiff stand kurz davor zu kentern. Er kraxelte zu der Leiter hinüber und hoffte inständig, dass er nicht noch anderen Besatzungsangehörigen begegnen würde.
    Die Leiter hinunterzuklettern war eine seltsame Sache, denn eigentlich bewegte er sich eher horizontal vorwärts. Der Klipper lag fast ganz auf der Seite. Überall strömte Wasser herein. Er kam an der Stelle vorbei, wo die Matrosen einen Teil des Frachtraums abgeriegelt hatten, und lief immer tiefer in das Schiff hinein. Irgendwo mussten hier doch die Kabinen und Lagerräume sein! Er fand niemanden. Wahrscheinlich waren alle oben oder kämpften darum, die einbrechenden Fluten unter Kontrolle zu bekommen. Er war allein. Schließlich pfiff er auf die ganze Heimlichtuerei und rief laut: » Nita! Verdammt noch mal, wo steckst du? Lucky Girl!«
    Keine Antwort.
    Wahrscheinlich war sie weiter oben – eine andere Möglichkeit sah er nicht. Offenbar hatte er sie verfehlt.
    Oder sie war unter Drogen gesetzt worden.
    Oder sie befand sich bereits auf einem anderen Schiff.
    Oder sie war nie an Bord gewesen.
    Er zog eine Grimasse. Gut möglich, dass sie immer noch in Orleans war. Oder tot. Er watete durch die Strömung und suchte nach einer Luke. Das Wasser war jetzt überall. Die Wand war zum Boden geworden, und es fiel ihm schwer, sich zu orientieren. Ein Ruck fuhr durch das Schiff. Wieder drehte sich alles. Er riss eine Tür auf und wurde mit einer Sturzflut belohnt, die so stark war, dass sie ihn umwarf. Bevor er sich wieder aufrappeln konnte, hatte sie ihn ein Stück den Korridor entlanggespült. Verzweifelt rannte er vor dem ansteigenden Wasser davon.
    » Nita!«
    Immer noch nichts. Die LED s gingen aus, eine nach der anderen, und ein Teil des Schiffes versank in Finsternis. Das Schiff ging unter. Er musste raus hier. Die Gänge und Kabinen waren alle leer – offenbar war auch die Mannschaft geflohen. Nailer fragte sich, wie wohl der Kampf auf Deck ausgegangen war.
    Auf unsicheren Füßen rannte er durch eine Welt, die kopfzustehen schien. Überall stank es nach Maschinenöl. Er hatte das Gefühl, sich wieder in den Eingeweiden eines der großen Tanker zu befinden. Wie damals, als er fast in dem Ölreservoir ertrunken war.
    Er stieß eine Tür auf und kroch hindurch. Verdammt, er hatte sich verirrt. Direkt vor sich sah er das Tragflügelgetriebe der Pole Star, in den schwachen rötlichen Schein der Notbeleuchtung getaucht. Räder tickten und surrten, dabei hatten die Tragflächen und Winden für das Parasegel längst den Geist aufgegeben. Auf Warnschildern stand: Achtung, laufende Motoren! Zutritt nur für ausgebildetes Personal! Nailer fand es geradezu komisch, dass er das jetzt alles verstand. Er mochte wie eine Ratte ersaufen, aber hey, er konnte lesen!
    An einer Wand blinkten Signallampen, um anzuzeigen, dass es oben auf Deck zu Störungen gekommen war. Was wahrscheinlich daran lag, dass sich die Brücke unter Wasser befand. Das Getriebe glich den Maschinen an Bord der Dauntless fast aufs Haar – Nailer hatte es unter Knots Aufsicht oft genug geölt. Es war größer, aber von der Anlage her konnte er keinen Unterschied erkennen. Als das Schiff sich auf die Seite gelegt hatte, waren die Abdeckungen der Wartungsschächte aus der Verankerung gerissen worden. Nailer ließ den Blick über die ineinandergreifende Hydraulik schweifen. Sah ganz so aus, als wären die Schiffe von Patel Global alle nach demselben Prinzip gebaut.
    Aber hier unten war Nita bestimmt nicht. Er setzte seine Suche fort. Das Schiff ächzte und kippelte hin und her. Nailer fragte sich, ob ihm dasselbe Schicksal drohte wie dem kleinen Jackson. Würde er ebenfalls sterben, weil es ihm nicht gelang, aus einem Wrack herauszufinden?
    » Nita! Verdammt noch mal, wo steckst du?«
    Er bog in einen anderen Korridor. Das Schiff schien es darauf abgesehen zu haben, sich auf den Kopf zu stellen, was ihm nur deshalb nicht gelang, weil sich seine Masten in den Zähnen verfangen hatten. Falls das geschah, würde Nailer
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