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Schieber

Schieber

Titel: Schieber
Autoren: C Rademacher
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Herr Doktor. Wir werden den Jungen abtransportieren.
Ich lasse bei Staatsanwalt Ehrlich die Leichenöffnung beantragen.« Stave beugt
sich ein letztes Mal herunter und zieht eine Packung Lucky Strike aus dem
Hosenbund. Ein kleines Vermögen in diesen Zeiten. Der Pathologe blickt
sehnsüchtig darauf.
    »Die bekommen Sie nicht zwischen die Lippen«, versetzt der
Oberinspektor. »Ist vielleicht ein Beweisstück.«
    »Das hat ihm garantiert kein Lehrer geschenkt, weil er seine
Hausaufgaben so ordentlich gemacht hat«, sagt Czrisini leise.
    »Waffe, Zigaretten. Möchte wissen, was so ein Bursche in einer
Lagerhalle von Blohm & Voss gesucht hat«, sagt Stave.
    »Die leer ist bis auf eine scharfe Bombe.«
    »Die jetzt leer ist. Vielleicht war etwas darin, das nun fehlt. Ist
doch ein ideales Versteck: eine verwüstete Werft im Hafen. Der ist Sperrgebiet
der Engländer, in das nur Arbeiter mit Passierschein hereinkommen, legal
zumindest. In dieser Werft steht eine scheinbar leere Halle, für die sich
niemand interessiert. Und in dieser Halle steckt ein Blindgänger, gut sichtbar,
sodass jeder, der doch zufällig hier vorbeikommt, Reißaus nimmt. Wenn ich etwas
zu verbergen hätte, wäre das kein schlechter Ort.«
    »Vorausgesetzt, man ist lebensmüde genug, um sich in die Nähe eines
Blindgängers zu wagen.« Der Pathologe schüttelt den Kopf und weist auf den
Boden. »Im Staub sind Fußabdrücke zu erkennen – aber nichts, das auf eine Kiste
oder sonst irgendetwas hindeutet, das hier gestanden haben könnte.«
    Stave deutet auf die Wände. »Da ragen überall Nägel und Haken
heraus, an die man etwas dranhängen könnte. Davor ist der Boden von Fußspuren
übersät. Das könnte passen.«
    »Und warum ist der Junge dann bis zur Mitte des Raumes gegangen?
Weit weg von jeder Wand.« Czrisini hustet wieder. »Ich brauche jetzt eine
Woodbine. Gehen wir ins Freie, dann verrate ich Ihnen, was ich vermute.«
    Stave folgt dem Pathologen. Draußen flirrt die Luft, die Ziegel der
Barackenwand glühen, als hätten sie im Ofen gelegen. Stave fühlt einen pelzigen
Belag auf der Zunge und Heiserkeit im Hals. Die Schupos sehen bemitleidenswert
aus.
    »Kienle, schauen Sie sich in der Umgebung um«, ordnet der
Oberinspektor an. Dann postiert er Ruge und die anderen jungen Beamten rund um
die Baracke, wo ein wenig Wind von der Elbe heraufweht. »Bald kommt der
Leichenwagen«, ermuntert er sie. »Dann geht es heim.« Von den Arbeitern ist
niemand zu sehen.
    Der Pathologe hat derweil einige tiefe Züge genommen und entspannt
sich.
    »Also, wer ist der Mörder?«, fragt Stave ihn, nur halb im Scherz.
    »Ein Arbeiter«, antwortet Czrisini bestimmt. »Meiner Ansicht nach
ist der Täter ein starker Mann, das zeigen die Spuren an seinem Opfer. Er kennt
sich auf dem Gelände aus – immerhin gelangte er durch eine Tür in die Baracke,
die so versteckt lag, dass selbst wir sie nicht sofort bemerkt haben. Niemand
hat ihn oder seine Tat bemerkt, also kann er sich unauffällig auf der Werft
bewegen. Die einzigen Männer, die Blohm & Voss betreten dürfen, sind
Arbeiter. Sie kennen sich aus. Sie sind stark.«
    »Die waren schon immer als raue Gesellen berüchtigt«, sagt Stave
nach einigem Nachdenken. »Selbst in der Hochbahn, mit der sie morgens
hierherfahren, liefern sie sich immer wieder Prügeleien. Aber Mord an einem
Halbwüchsigen? Warum sollte jemand so etwas tun?«
    »Vielleicht hängt es mit der Demontage zusammen? Die Arbeiter kochen
vor Wut. Sie täuschen die englischen Militärpolizisten. Der Alte gerade hat es
Ihnen ins Gesicht gesagt: Sie verstecken Maschinen, die eigentlich verschrottet
werden sollen. Wer weiß, was die hier noch machen? Vielleicht hat der Junge bei
einer dieser verbotenen Aktionen gestört – und da hat ihn jemand zum Schweigen
gebracht.«
    »Und warum wirft der Mörder den Toten nicht einfach in die Elbe? Wir
hätten wahrscheinlich nie die Leiche gefunden. Und wenn doch, dann hätte
niemand eine Spur bis zu Blohm & Voss zurückverfolgen können. Das Opfer
liegt aber hier wie auf einem Präsentierteller.« Der Kripobeamte denkt an
Kienles Bemerkung vom Zeichen, das der Mörder setzen will.
    Czrisini zerkrümelt den winzigen Zigarettenstummel zwischen seinen
nikotinverfärbten Fingerkuppen. »Das Rätsel müssen Sie lösen. Ich bringe meinem
britischen Kollegen nun den Jeep zurück und werde mich auf die Leiche stürzen,
sobald sie in der Rechtsmedizin ist. Bei dieser Hitze sollte man rasch
arbeiten, bevor der Tote
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