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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Entsetzen über alle Bewohner hinweggerollt. Renate von Buckow brach zusammen, sie fiel in die Arme ihres Mannes und wurde wie leblos in das Schlafzimmer zurückgetragen. Unterdessen rief der Gärtner schon die Polizei und den Arzt an, während das Kindermädchen hysterisch schreiend in das große Wohnzimmer geführt wurde und dort in einem Sessel hockte, am ganzen Körper zitternd. Werner von Buckow schloß die Tür des Kinderzimmers ab. Seine äußere Ruhe war die Maske einer ungeheuren Selbstbezwingung. In seinem Inneren aber tobte ein Vulkan und zerriß sein Herz unter tausend Schmerzen.
    »Er kann nicht weit kommen«, sagte er immer wieder. »Es fällt sofort auf, wenn irgendwo ein kleines Kind auftaucht. Rundfunk und Presse werden alles alarmieren. Er kann nicht weit mit Rita kommen …«
    Als die Polizei vor das Haus fuhr, war der Arzt schon bei Renate von Buckow und stellte ein schweres Nervenfieber fest. »Wenn das Herz durchhält, können wir sie retten«, sagte er ernst. »Aber das Herz ist schwach. Es will nicht! Das ist die große Gefahr … es will nicht!«
    Kriminalkommissar Dr. Werner, ein mittelgroßer, etwas rundlicher Beamter, kam aus dem Kinderzimmer und setzte sich vor den offenen Kamin der Wohnhalle in den tiefen englischen Sessel. Er betrachtete mit Wonne die Kiste Zigarren, die ihm von Buckow hinhielt, und wählte umständlich unter den Importen eine gleichmäßig gefärbte aus.
    »Der Täter war ein Laie«, sagte er nach den ersten Zügen, deren Genuß ihn fast verzauberte. »Er hat sich keine Mühe gemacht, Fuß- oder Fingerspuren zu verwischen oder gar zu vermeiden. Auf der Scheibe und auf der Fensterbank finden wir herrliche Abdrücke. Sie nützen uns nur nichts, weil ich garantiere, daß sie in keiner Kartei zu finden sind. Ein Einzelgänger und ein Anfänger.«
    Werner von Buckow sah an die getäfelte Decke. »Sie haben wenig Hoffnung?«
    »Das will ich nicht sagen. Keiner raubt ein Kind aus purer Kinderliebe. Sagen wir – kein Mann. Bei Frauen ist so etwas möglich. Mutterkomplex nennen wir das! Aber einen Vaterkomplex hat es meines Wissens noch nicht gegeben. Der Bursche will also Geld –«
    »Erpressung?«
    »Genau! Nach dem Vorbild der amerikanischen Kidnapper. Geld und Kind zurück, oder kein Geld und Kind zurück, aber tot.«
    »Ich werde ihm jede gewünschte Summe geben!« sagte von Buckow rauh. »Mein Kind ist mir alles wert!«
    Dr. Werner betrachtete seine Zigarre und schob die Unterlippe vor. »Vom Standpunkt des Vaters ist das richtig. Vom Standpunkt der Polizei wäre es falsch! Unsere Aufgabe ist es nicht, den Verbrecher zu belohnen, sondern ihn zu fangen! Hat er erst das Geld sicher bekommen, so erwischen wir ihn nie, falls er intelligent genug ist, sein Geld so auszugeben, daß er nicht durch großspurige Ausgaben auffällt. Meistens ist das der Anlaß, daß wir diese Brüder ergreifen. Das plötzliche Geld, in solchen Summen, macht sie verrückt! Auf der Reeperbahn halten sie ganze Lokale frei und kaufen den Dirnen Brillanten. Dann haben wir sie. Aber ist der Kerl ein wenig intelligent, zieht weg von Hamburg und lebt irgendwo in Süddeutschland als biederer Kaufmann, macht ein Geschäftchen auf und wird ein guter Bürger … wie wollen Sie bei siebzig Millionen Deutschen diesen einen gerade herausfischen?«
    Werner von Buckow war aufgestanden und ging erregt in dem großen Raum hin und her. »Was schlagen Sie also vor?«
    »Wir versprechen dem Kerl das Geld, wenn er sich meldet.«
    »Gut. Und weiter.«
    »Wir hinterlegen es da, wo er es haben will. Und wenn er es holt, haben wir ihn.«
    »Falls er ein Idiot ist!« Von Buckow blieb stehen. »Sie glauben doch nicht, daß ein intelligenter Verbrecher in eine so plumpe Falle geht? In die geht kein Vierzehnjähriger mehr nach der Lektüre von zwei Kriminalromanen.«
    »Es ist eine Frage der Summe.« Dr. Werner schnippte vorsichtig die Asche von der Zigarre. »Je höher die Summe, um so verwirrter werden die Gehirne. Nichts beeinträchtigt die Intelligenz mehr als ein plötzlicher Haufen Geld.«
    »Theoretisch.«
    »Lassen wir es auf die Praxis ankommen.«
    Werner von Buckow seufzte tief. Er stand mit dem Rücken zu dem Kamin und sah Dr. Werner aus einem von Qual zerfurchten Gesicht an. »Das ist nicht alles, Herr Kommissar«, sagte er leise. »Wenn Rita innerhalb drei Tagen nicht wieder hier ist, muß sie sterben …« Dr. Werners Kopf flog empor. In seine Augen trat plötzlich ein verbissener Zug. »Ja … Sie haben richtig
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