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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein inneres Sträuben zurück, die schreckliche Tat auszuführen. Dann überwand er sich, griff nach der Decke und schlug sie zurück. Dabei stieß er gegen das Bett, mit dem Knie, als er sich vorbeugte; es gab einen knackenden Laut, der ihn zusammenfahren ließ.
    Das Kindermädchen richtete sich auf. Als sie den dunklen Schatten im Zimmer sah, fuhr sie empor und wollte schreien, aber Frank Gerholdt war bereits über ihr, drückte sie in die Kissen zurück und umklammerte ihren zuckenden Hals.
    »Einen Laut nur, und ich drücke zu!« zischte er. »Du bist ganz still, hörst du! Ganz still.«
    Das Mädchen nickte unter seinen Händen. Er löste die Umklammerung, ihr Kopf sank zurück … mit entsetzensweiten Augen starrte sie ihn an und rückte bis an die Wand zurück.
    »Was wollen Sie von mir?« stammelte sie. Ihr Mund blieb nach diesen Worten offen, wie ein greller Schrei, der in der Kehle erfroren war.
    »Von dir will ich nichts. Ich will das Kind mitnehmen.«
    »Rita –«
    »Ja.« Gerholdt hob das schlafende Kind aus dem Bett und wickelte vorsichtig die Decke um den kleinen Körper. Das Mädchen wollte aufspringen. »Liegen bleiben oder ich schieße!« sagte Gerholdt hart. »Du brauchst keine Angst zu haben. Rita passiert nichts. Gar nichts. Sie kommt auch wieder … nur für heute muß ich sie mitnehmen … nur für heute …« Er ging an dem leichenblassen Mädchen vorbei zurück zum Fenster und wandte sich noch einmal um, ehe er wieder auf die Fensterbank kletterte. »Und keinen Laut! Wenn ich dich schreien höre, schieße ich durch das Fenster.«
    Er sprang zurück auf den Rasen vor das Haus und sah auf das Kind. Es schlief noch immer. Das Köpfchen lag an seiner Brust, als sei sie ein Kissen. Wie einfach das alles ist, durchfuhr es ihn. Jetzt habe ich einhunderttausend Mark in der Hand.
    Er rannte über den Rasen und hörte hinter sich aus dem Fenster den gellenden Schrei des Kindermädchens.
    »Hilfe! Hilfe!« Im Hause gingen die Lichter an … er hetzte durch den Garten, nach hinten hinaus durch die Hecke, über die stille Uferstraße nach Altona zu. Der gellende Schrei des Mädchens verfolgte ihn, er ging ihm nicht mehr aus dem Ohr. Auf der Elbchaussee tauchten Lichter auf … in rasender Fahrt kamen sie näher. Ein blauer Scheinwerfer zuckte durch die Dunkelheit.
    Polizei! Schon die Polizei?! Wie schnell das ging. Wie schrieb die Zeitung doch: Bei der Schlagkraft unserer Polizei ist eine Kindesentführung nicht lohnend …
    Er warf sich in den Straßengraben und ließ den Polizeiwagen an sich vorbeirasen. Dann hetzte er weiter, den Lichtern Hamburgs entgegen. Vor einer Milchbude stand ein einsames Fahrrad … er riß es von der Wand, stieg auf und trampelte die Chaussee hinab, mit der Linken das Kind fest an sich pressend, mit der Rechten steuernd. Er schlug einen Bogen um Altona, er fuhr über Eidelstedt am Flughafen Fuhlsbüttel vorbei, über Ohlsdorf nach Rahlstedt … über fünf Stunden radelte er die Landstraße entlang, schweißüberströmt, die Angst im Nacken. Einmal wachte das Kind auf … es quäkte etwas. Da hielt er an, streichelte es, wiegte es in seinen Armen, bis es wieder schlief.
    In der Laube legte er Rita in das große Bett. Er stopfte eine Decke zusammengerollt an den Bettrand, damit sie nicht bei einer heftigen Bewegung aus dem Bett fiel, er deckte sie liebevoll zu und verließ dann die Laube, um nach Rahlstedt zu fahren.
    Hier stand er an der Ecke des Marktes, bis die Drogerie öffnete. Als er sie betrat, empfing ihn Radiomusik. Frühmusik … Frühkonzert, unterbrochen von der Zeitansage.
    »Eine Milchflasche bitte«, sagte er mit aller Sicherheit, die er aufbrachte.
    »Mit Gramm-Einteilung?« fragte das Fräulein, das hinter der Theke stand. Ihr weißer Mantel war wie ein tanzender Fleck vor Gerholdts Augen.
    »Ja, natürlich«, stotterte er.
    »Aus Jenaer Glas?«
    »Ja.« Er sah zu, wie sie eine Milchflasche aus einer Schublade holte und sie vor ihm auf die Theke stellte.
    »Ist sie so richtig?«
    »Ich weiß nicht.« Er lächelte schwach. »Meine Frau schickt mich. Ich habe darin keinerlei Erfahrung. Das erste Kind … wissen Sie …« Er versuchte ein schelmisches Blinzeln. Das Fräulein nickte verständig. »Und zu essen soll ich auch mitbringen. Kindernahrung. Meine Frau hat mir den Namen gesagt … aber ich habe ihn vergessen.«
    »Nestle Kindernahrung?«
    »Ja, ja, das wird es sein!«
    Das Radio schwieg. Der Sprecher der Nachrichten gab die neuesten Meldungen durch. Frank
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