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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als den eines Pioniers der Menschheit für alle Zeiten festigen sollten.
    Als Dr. Schwab mit seinen Erläuterungen an einer großen Weltkarte geendet hatte, sprangen die Anwesenden auf und gratulierten stürmisch Frank Gerholdt.
    »Ein einmaliger Ausbau!« sagte der Interessenvertreter Südamerikas, ein dunkelhäutiger Brasilianer. »Sie werden – wenn Sie so weitermachen, Mr. Gerholdt – in zehn Jahren den Weltmarkt beherrschen wie einst Rockefeller das Öl!«
    Gerholdt schüttelte den weißen Kopf. »Ich möchte Ruhe haben, meine Herren. Nur Ruhe – – – das ist alles, was ich mir noch vom Leben wünsche. Wissen Sie, wie herrlich es ist, morgens aufzuwachen und zu sich sagen zu können: Auch dieser Tag wird ein Geschenk sein! Keine Sorgen, keine Hetze, keine Anrufe, keine Termine, keine Verhandlungen, keine Verantwortung – – – nur Leben! Einfaches, ruhiges, zufriedenes Dahinleben. Den Vögeln zuhören, wie sie singen, das Meer belauschen, wie es grollt, im Gras liegen und auf die Grillen hören, wie sie zirpen und girren. Und über einem nur der blaue Himmel und die Sonne. Das ist meine ganze Sehnsucht. Sie lächeln? Nennen Sie es die Marotte eines alten Mannes, die Laune eines Millionärs, der einmal Seelencamping spielen möchte … Ich habe wirklich nur einen einzigen großen Wunsch von diesem Leben: Ruhe!«
    »Und dann dieser Aufbau? Wie verträgt sich das miteinander?«
    »Sehr gut, meine Herren.« Gerholdt lächelte schwach. »Dr. Schwab wird in meinem Namen alles ausführen. Er ist mein neuer Generalbevollmächtigter.«
    »Herr Gerholdt!« Dr. Schwab bekam einen roten Kopf.
    Gerholdt winkte ab. »Keine Worte, Dr. Schwab. Ich lege mein ganzes Lebenswerk in Ihre Hände! Ich sage Ja zu Ihren Plänen, ich sage Ja zu allem, was Sie unternehmen. Ich weiß, daß es gute Pläne sind und Sie nur das Wohl des Werkes wollen. Ich sage zu allem Ja – – – weil ich nur eines für mich will: Ruhe!« Er sah sich um und blickte in starre Augen, in ratlose Gesichter. Er nickte mehrmals. »Ja … so ist das, meine Herren. Ich bin müde. Sehr müde. Ich habe es nie so erkannt wie in diesen Wochen. Ich bin verbraucht. Ich habe mich ausgebrannt. Am Himmel ist kein Platz für erloschene Meteore … er gehört den leuchtenden Sternen. Die Jahre, die ich noch vor mir habe, will ich vom Sessel aus betrachten … in meinem Garten, am Rhein, am Mittelmeer oder am Pazifik … irgendwo, wo es mir gefällt, wo ich allein sein kann und wo es niemanden gibt, der zu mir kommt und sagt: Herr Gerholdt – hier der Tagesplan. Neun Uhr Konferenz. Zehn Uhr Fahrt zur iranischen Botschaft. Elf Uhr fünfundzwanzig Essen mit dem peruanischen Gesandten … Ich möchte das Leben eines guten alten Mannes leben … weiter nichts – – –«
    Draußen, vor dem Fabriktor, wartete in seinem Wagen Dr. Werner.
    Während Frank Gerholdt die letzte große Konferenz seines Lebens abhielt, während er Dr. Schwab als Generaldirektor einführte und jedem Direktor, jedem Abteilungsleiter für seine Treue dankte, während er Abschied nahm von seinem Werk, von dem er hoffte, daß es für alle Zeiten stehen und Rita und allen kommenden Generationen ein sorgloses Leben schenken würde, sah unten der Kriminalrat auf seine Armbanduhr.
    Ein Uhr nachts.
    Als das Flugzeug aus Rom in Düsseldorf-Lohausen ausrollte, stand Dr. Werner hinter einer Glastür des Ausgangs und beobachtete die Fluggäste, die über den betonierten Platz zum Zollraum gingen. Als er die schlanke, etwas nach vorn gebeugte Gestalt Gerholdts sah, verbarg er sich hinter einem Blumenarrangement.
    Mit heißen Augen starrte Dr. Werner auf das Ziel seiner geheimsten Wünsche, auf den größten Widersacher seines Lebens. Ein grauer Mantel, schlicht, unauffällig, darüber ein schmaler, fast ausgezehrter Kopf, weiße Haare, die unter dem grauen Hut hervorquollen … so sieht also ein Millionär aus, ein Mann, dessen Namen die ganze Welt umspannt!
    Frank Gerholdt, der Verbrecher.
    Von diesem Augenblick an blieb Dr. Werner auf den Fersen Gerholdts. Wie ein Schweißhund folgte er ihm … immer unsichtbar, aber immer in der Spur laufend. Daß Gerholdt nicht nach Hause fuhr, sondern gleich zur Fabrik, verblüffte Dr. Werner. Er stellte den Wagen seitlich ab und wartete. Stunde um Stunde.
    Der Abend kam … die Nacht …
    Welche Energie, dachte Dr. Werner. Daran erkenne ich, daß es noch der alte Gerholdt ist. Er kannte keine Grenzen … nicht im Leben, nicht gegen sich selbst, nicht im Verbrechen.
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