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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wandsbek. Dort stieg er in die Straßenbahn und fuhr hinaus nach St. Pauli. Von St. Pauli fuhr er nach Blankenese und strich um die Villa v. Buckows herum, die nun leer und öde inmitten der weiten Anlagen stand. Nur im Parterre brannte noch Licht. Der Gärtner und das Kindermädchen saßen am Radio. Sie froren in der weiten Einsamkeit des Hauses. Noch wußte keiner, was mit ihnen geschehen sollte. Wurde das Haus verkauft? Übernahm der neue Besitzer auch sie? Oder kam der Bruder Werner von Buckows aus Amerika und löste alles auf?
    Gegen elf Uhr gingen sie auf ihre Zimmer. Gerholdt beobachtete, wie das Mädchen die Gardine zuzog, und sah dann ihren Schatten. Sie entkleidete sich … das große Licht erlosch, nur die Nachttischlampe warf einen dünnen Schein gegen die Gardine. Sie las noch … dann erlosch auch dieses Licht. Dunkel lag das große Haus an der Elbe, über die die Lotsenboote glitten und die Scheinwerfer der Patrouillenboote der Seepolizei.
    Frank Gerholdt wartete noch eine halbe Stunde, ehe er den Weg wieder nahm, den er bei der Entführung Ritas eingeschlagen hatte. Er überkletterte die Hecke, schlich über den kurzen Rasen, vorbei an dem Schwimmbecken, an der Terrasse entlang und stand unter dem Fenster des Kinderzimmers.
    Das Fenster war geschlossen. Er drückte gegen die Scheiben. Sie bewegten sich nicht. Leise wandte er sich zurück zur Terrasse und untersuchte die große Glastür, die in die Wohnhalle führte. Es war ein kompliziertes Schloß. Er schlich weiter, um das Haus herum. Die Tür der Küche … zwei Fenster … ein Kellerschacht, abgedeckt mit einem Leichtmetallrost. Er beugte sich herunter und sah, daß das Fenster unter dem Rost nur angelehnt war. Vorsichtig hob er die Abdeckung hoch, lehnte den Rost gegen die Hauswand und ließ sich in den Schacht gleiten. Mit den Füßen stieß er die Fensterflügel auf und rutschte in den Keller auf eine Kiste mit Kartoffeln. Sie bullerten über den steinernen Fußboden und rollten gegen die Tür.
    Mit verhaltenem Atem lauschte er nach oben. Er ging auf Zehenspitzen an die Tür und legte das Ohr an das Holz. Nichts. Im Haus war es still. Er atmete auf und drückte die Klinke der Tür herab. Wenn sie geschlossen ist, ist alles aus, dachte er. Dann war alles umsonst.
    Er drückte gegen die Klinke und sah mit einer ihn heiß durchströmenden Freude, daß sich die Tür öffnete. Er ließ sie offen und schlich die Treppen hinauf. Noch eine Tür … er stand in der Küche. Dort blieb er stehen und vergegenwärtigte sich die Lage der Zimmer. Links war das Eßzimmer, davor der große Wohnraum. Nach rechts zu lagen die Schlafzimmer. Von der Küche aus mußte er über einen Flur. Das zweite Zimmer an diesem Flur mußte das Kinderzimmer sein.
    Er tappte durch die Dunkelheit und tastete sich an den Wänden entlang. Eine Tür … noch eine Tür … Das war sie. Er drückte sie auf, schlüpfte in das Zimmer und schloß sie schnell wieder zu. Auf der linken Seite stand das Bett. Er sah im ungewissen Licht, das von draußen durch das Fenster fiel, fahl die weißen Bezüge. Leise näherte er sich der Schlafenden, setzte sich vorsichtig auf die Bettkante und knipste die Nachttischlampe an.
    Mit einem Laut des Erschreckens fuhr das Mädchen empor. Als sie Gerholdt sah, als sie ihn wiedererkannte, wollte sie schreien, aber er legte die Hand auf ihren Mund und preßte sie in die Kissen zurück. Sie wehrte sich, sie schlug um sich, biß ihn in die Hand, trat ihn gegen den Bauch und stöhnte, weil er sie mit der freien Hand würgte und zurück in die Kissen warf.
    »Ich bringe dich um!« keuchte er. Seine Hand, in die sie gebissen hatte, schmerzte. Er sah, wie das Kopfkissen rote Flecken bekam. Er blutete. Da schlug er zu, mit aller Kraft, er riß den Kopf des Mädchens an den Haaren herum und preßte ihn an sich.
    »Wo ist das Medikament?!« zischte er sie an. »Los! Gib das Mittel heraus, oder ich schlage dich tot!«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. Da schlug er sie wieder, brutal, gemein, rücksichtslos, bis sie in seinen Armen lag wie eine Tote. Nur ihre Augen sagten, daß sie noch lebte.
    »Wo ist das Mittel?«
    Er riß sie aus dem Bett und schleifte sie durch das Zimmer. Das Mädchen blieb vor einem Wandschrank stehen. Er öffnete ihn. Neben Puder, Creme, einigen Milchflaschen und Büchsen stand dort eine Flasche mit einer wasserhellen Flüssigkeit.
    »Ist es das?!«
    Das Mädchen nickte. Er riß die Flasche aus dem Schrank, stopfte sie in seine Tasche und
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