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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies
Autoren: Inge Loehnig
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fertig.
    Sandra stöhnte und hob den Kopf.
    Scheiße!
    Dieses Miststück war zäher als gedacht.
    Sie wandte sich an Sven, der hinter ihr stand. »Du räumst im Häuschen auf und vergiss nichts. Es muss aussehen wie vorher. Und dann kommst du mit dem ganzen Krempel hierher.«

49
    Er konnte nicht warten, bis Notarzt und Polizei kamen. Er musste etwas tun. Er musste Sandra finden. Das Wäldchen war nicht groß.
    Er war nicht gläubig und wünschte jetzt verzweifelt, er wäre es. Dann gäbe es eine Macht, die er um Hilfe bitten könnte.
    Sandra. Sie durfte nicht tot sein. Sie durfte nicht sterben. Mit diesem Gedanken setzte sein Denken aus. Ein Rauschen und Flimmern füllte seinen Schädel, panische Angst trieb ihn voran. Der harte Schlag seiner Schritte wurde vom Waldboden gedämpft. Sein Atem ging keuchend. Wo? Wo? Alle seine Sinne waren in die undurchdringliche Dämmerung gerichtet.
    Er lief und nahm plötzlich eine Gefahr wahr, wie ein Tier, das die Angst wittert. Er schlug einen Haken, tauchte in den Nachtschatten eines kahlen Gebüschs. Auf dem Weg näherte sich eine Gestalt. Ein Mann in Lederkombi. Sven! Er kam von der Lichtung und ging offenbar zurück zur Siedlung. Allein. Wo war Janina?
    Er unterdrückte den Impuls, sich auf Sven zu stürzen, biss die Zähne aufeinander, ballte die Fäuste. Er war kein Feigling, aber auch kein Dummkopf. Mit Sven konnte er es nicht aufnehmen. Der würde ihn fertigmachen. Damit war Sandra nicht geholfen.
    Er atmete durch, ließ Sven vorbeigehen. Später. Später rechnen wir ab. Lautlos zählte er bis zehn. Dann wagte er sich aus der Deckung, lief zur Lichtung.
    Der Mond schien durch die aufgerissene Wolkendecke. Ein Funkeln lag in der Luft, ein Glitzern. Erste Schneeflocken taumelten vom Himmel, setzten sich auf Zweige und Äste, auf Moos und Steine, auf die Gestalt, die am Findling lehnte. Sandra!
    Sein Herz setzte für einen Schlag aus. Sie war so bleich! Sie konnte nicht tot sein. Sie durfte nicht tot sein!
    In der Dunkelheit hinter dem Stein glomm ein roter Punkt auf. Janina!
    Er lief über die freie Fläche.
    Später. Janina. Später!
    Vor Sandra ging er in die Hocke. Strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Ein getrocknetes Rinnsal aus Blut zog sich darüber. An Mund und Kinn klebten weiße Ränder. Seine Finger suchten den Puls am Hals, fanden ihn.
    Er heulte vor Erleichterung.
    Er musste ihr helfen! Wie?
    Er drehte sie auf die Seite, brachte ihren Körper in die stabile Seitenlage. Wo blieb der Notarzt?
    Mit einer Hand tastete er ihre Mundhöhle ab. Gott sei Dank, nichts Erbrochenes blockierte die Atemwege. Ein Rucken ging durch ihren Körper. Sie würgte. Er hielt ihr den Kopf. Kotz es raus. Bitte, übergib dich, flehte er lautlos. Kalter Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn, während sie sich erbrach. Erleichterung überrollte ihn in einer großen Welle. Hastig schlüpfte er aus seiner Jacke, deckte sie damit zu, kniete neben ihr, zog ihren kalten Körper an seinen warmen. Er hielt ihre Hand, küsste ihre Fingerspitzen. Alles wird gut. Jeden Moment musste der Notarzt hier sein.
    Schneeflocken tanzten herab.
    Janina hatte er ganz vergessen.

50
    Der Hass, der in ihr wütete, wurde zu einem weißglühenden Höllenfeuer. Es verbrannte sie. Jede Pore ihrer Haut schien Feuer zu spucken, jeder Muskel ihres Körpers spannte sich in todbringender Kraft.
    Sie warf die Zigarette fort. Sandra!
    Was hast du mit Nils angestellt? Wie hast du es geschafft, derart Besitz von ihm zu ergreifen?
    Er gehört zu mir. Zu mir! Zu mir! Zu mir!
    Er hielt sie im Arm. Sie!
    Er küsste ihre Finger.
    Sie musste sich erbrechen, würgte bittere Galle ins Moos.
    Dort lag ein abgebrochener Ast. Armdick.
    Ihre Hände schlossen sich darum.
    Ihr Körper schnellte zitternd hoch, trieb sie über die Lichtung. Ein harter Schlag. Blut sickerte aus einer Wunde an Sandras Arm. Nils warf sich schützend über sie. Diese Bitch! Der nächste Schlag traf ihn.
    Er sackte einfach zur Seite.
    Die Zeit blieb stehen.
    Das Höllenfeuer wurde von einem Eismeer des Schreckens fortgeschwemmt.
    Nils!
    Sie fiel vor ihm auf die Knie, zog ihn in ihre Arme. Sein Körper war ganz schlaff. »Das wollte ich nicht. Das wollte ich nicht.« Tränen liefen über ihr Gesicht. »Verzeih mir!« Sie küsste ihn. Seine Lippen waren ganz kalt.
    Sandra wälzte sich stöhnend auf die Seite.
    Der Hass kehrte zurück.
    Sie sprang auf, griff nach dem Knüppel.
    Sven stand neben ihr, starrte sie an. Fassungslos. Dann ein Funken der Erkenntnis in
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