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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies
Autoren: Inge Loehnig
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Sandra schon?… Nein. Das hat sie selbst gemacht… Sie hat das Pinkelfoto selbst auf Facebook gestellt… Damit sie nicht auffliegt… ist doch klar… verstehst du nicht, Sven? Sie versucht, den Spieß umzudrehen… Natürlich liebe ich dich.
    Janina war also die Initiatorin des Mobbings gegen Sandra. Das war seine erste Erkenntnis und die zweite, die unmittelbar folgte: Janina hatte irgendetwas vor. War Sandra in Gefahr? Schläft sie schon? Was war hier los?
    Sie verließ das Haus.
    Er folgte ihr in gebührendem Abstand, wie in einem schlechten Krimi. Er kam sich so lächerlich vor und gleichzeitig wuchs die Angst in ihm ins Unermessliche. Janina schien es eilig zu haben, ging bei Rot über eine Fußgängerampel, rannte beinahe. Er hatte Mühe, ihr zu folgen, ohne aufzufallen. Erstaunlich schnell näherten sie sich der letzten Kette von Hochhäusern, hinter denen sich Wiesen und Felder erstreckten. Darin eingebettet eine Schrebergartensiedlung, die unmittelbar an ein Wäldchen grenzte.
    Janina betrat die Siedlung durch ein offen stehendes Tor. Er wartete einen Moment, bevor er ihr folgte.
    Er blickte in alle Richtungen und konnte sie nirgends entdecken. Sie war verschwunden. Es war still. Der eisige Wind schüttelte letzte welke Blätter aus Bäumen und Sträuchern, trieb sie zu Haufen zusammen, fegte sie wieder auseinander und begann sein Spiel von Neuem. Ein Gartentürchen schlug quietschend irgendwo zu. Der Kiesweg zeichnete sich hell in der Dämmerung ab. Er folgte ihm bis zu einer Kreuzung. Rechts, links, geradeaus? Er wusste es nicht, lauschte, hörte nur die Geräusche der Natur. Eine Krähe landete auf dem Giebel eines Holzhäuschens und beobachtete ihn.
    Systematisch. Er musste systematisch vorgehen. In irgendeinem dieser Häuschen waren Janina und ihr Freund. Und Sandra. Schläft sie schon? Was hatten die beiden vor?
    Die Angst lähmte ihn beinahe. Er biss sich auf die Lippen, um nicht ihren Namen laut zu rufen. Sandra! Sandra! Sandra! Etwas hielt ihn zurück. Instinkt? Eine Ahnung, ihr damit zu schaden? Was immer es war. Er wusste, dass er lautlos seine Suche beginnen musste.
    Das Gelände war nicht allzu groß. Vielleicht fünfzig Häuschen. Systematisch! Er wandte sich nach links, folgte dem Weg bis zum Ende, bemerkte nichts Auffälliges. Nirgends Licht, keine Geräusche. Im Schatten eines Erdwalls bog er in den nächsten Parallelweg ein, suchte, blieb ab und zu lauschend stehen, zwang sich zur Ruhe. Die Polizei. Er konnte sie rufen, einfach den Notruf wählen und sagen, was los war. Doch was war los? Was sollte er sagen? Er hatte nur eine schreckliche Vermutung.

46
    Schweiß lief Janina über den Rücken. Ihr Pulli klebte an der Haut. Ihr Atem ging stoßweise, die Muskeln ihrer Arme und Beine brannten. Dass diese Bitch so schwer war! Von wegen magersüchtig. Sie wog eine halbe Tonne.
    Sven hatte seine Arme im Erste-Hilfe-Griff von hinten um Sandras Oberkörper gelegt. Janina schleppte die Beine. Eines rechts. Eines links. Sie selbst dazwischen. Es sah vermutlich so aus wie in einem alten Slapstickfilm.
    Noch hundert Meter, dann hatten sie es geschafft.
    Sandra konnte nicht im Häuschen von Svens Opa Selbstmord begehen. Das würde verdächtig aussehen. Die Polizei würde Fragen stellen. Wieso ausgerechnet dort? Und Spuren hinterließ man immer. Besser, sie gingen auf Nummer sicher und legten Sandra im Wald ab. Sie würde entweder erfrieren oder an den Schlaftabletten krepieren.
    Ein Bein rutschte ihr aus der Hand, knallte auf den Boden. Sie blieb stehen, ließ auch das andere Bein fallen und streckte den Rücken durch. Er tat höllisch weh. Sven tat es ihr gleich. Dieses Miststück. Nichts machte sie einem leicht. Janina versetzte ihr einen Fußtritt.
    »Hee. Lass das. Das ist nicht nötig.« Svens Stimme war leise, doch bestimmt.
    Sven. Weichei. Sie hatte Lust auf eine Zigarette. Zwei, drei Züge. Mehr nicht. Ihr Körper lechzte nach Nikotin. »Kleine Pause. Ja?«
    Sie zog das Päckchen hervor und zündete sich eine Zigarette an, während Sven nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Er starrte Sandra an, die leblos auf dem Kiesweg lag. Etwas in seinem Gesicht veränderte sich. Nachdenklich kickte er einen Stein beiseite. »Meinst du wirklich, dass wir das durchziehen sollen?«, flüsterte er. »Ich meine, das ist schon heftig. Du lebst und sie ist dann tot. Für immer.«
    Okay, die Zigarettenpause gehörte nicht zu den Highlights dieses Tages. Sie drückte die Zigarette aus. »Schon vergessen,
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