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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies
Autoren: Inge Loehnig
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belügen? Nie? Schwör es!«
    Das war jetzt alles ganz falsch. Doch ihr fehlte die Kraft, dagegen anzugehen. Eine Welle von Müdigkeit überrollte sie.
    »Ich war auf Facebook und…« Wieder schwieg er, hörte Janina zu, sagte nichts mehr und legte irgendwann auf. Inzwischen war Sandra halb weggedämmert. Plötzlich spürte sie, dass er vor ihr stand. Dieser Geruch nach Motoröl, Fritten und Schweiß. Mit letzter Willenskraft schaffte Sandra es, die Augen zu öffnen. »Bitte… lass mich… gehen.« Jedes Wort kostete unendlich viel Energie.
    »Jetzt ist Schluss mit dem Gequassel.« Sie spürte die Hand in den Haaren, wieder riss er ihren Kopf zurück. Sie reagierte, ohne nachzudenken. Ihre Unterarme waren frei, sie hatten zwar kaum Bewegungsfreiheit, doch mit letzter Kraft holte sie aus und schlug ihm das Glas mit der weißen Pampe aus der Hand, hörte es auf den Boden aufschlagen und zersplittern.
    Ein Schlag traf sie ins Gesicht. Ihr wurde schwarz vor Augen.

44
    Etwas lief hier schief. Verdammt schief. Sandra, dieses Luder, hatte Sven fast so weit gehabt, sie laufen zu lassen. Gesagt hatte er das zwar nicht, aber seine Fragen, ob sie ihn liebte, ob sie ihn belügen würde… er war auf Facebook gewesen! Das konnte nur Sandra ihm gesteckt haben!
    Sie bebte vor Wut, schritt weit aus, lief beinahe. Gut, wenn er ein solches Weichei war… notfalls würde sie es selbst tun und alleine zu Ende bringen. Verdammt, warum hatte sie nicht daran gedacht, Sven zum Schweigen zu verdonnern, nichts zu sagen, sein verdammtes Maul zu halten. Er musste Sandra erzählt haben, weshalb sie ins Gras beißen sollte. Weshalb sonst hätte er sich auf Facebook umgucken sollen? Klar, das mit dem Pinkelfoto kam nicht gut. Gott sei Dank war ihr schnell genug eingefallen, auch in diesem Fall den Spieß umzudrehen. Sandra hatte das selbst inszeniert, um nicht aufzufliegen, und sich so von der Täterin zum Opfer gemacht. Diese Bitch!
    Im Laufschritt erreichte sie die Schrebergartenanlage. Alles war ruhig. Kein Mensch weit und breit. Der wolkenschwere Himmel über ihr schluckte das Abendlicht. Es wurde dunkel. Ihr Atem ging keuchend, als sie das Häuschen erreichte. Kein Licht zu sehen. Wo war Sven? Wo war Sandra?
    Da, ein schwacher Schimmer, wie Kerzenschein. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Sie riss die Tür auf, trat ein und warf sie krachend hinter sich ins Schloss. Mit einem Blick erfasste sie den Raum. Sven fuhr herum, starrte sie im Kerzenschein an wie eine Erscheinung. In der Hand ein Röhrchen Schlaftabletten. Sandra saß im Sessel. Gefesselt. Ein weiterer Stein folgte dem ersten. Sah doch alles ganz gut aus. Sandras Kopf lag auf der Brust. Sie war schon halb hinüber.
    Okay. Nichts lief schief. Sie hatte alles unter Kontrolle. Glas knirschte unter ihrem Schuh. Sie blickte zu Boden. Scherben. Ein weißer Brei.
    »Sie hat mir das Glas aus der Hand geschlagen.« Sven kam auf sie zu, nahm sie in den Arm. Sie ließ es zu, dass er sie küsste. Doch er küsste sie mit verzweifelter Kraft, klammerte sich an sie, wie ein Ertrinkender. Sie schob ihn beiseite. Es reichte.
    Sandra bewegte sich, stöhnte und versuchte, den Kopf zu heben. Eine feine Blutspur lief von der Augenbraue über die Wange zum Hals hinunter.
    Verdammt! Das sollte nach Selbstmord aussehen! Janina beugte sich über die Wunde. Sie war klein und zwischen den Härchen der Augenbraue verborgen. Sandra konnte sich irgendwo gestoßen haben. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Bleib ruhig! Alles läuft nach Plan. Sie wandte sich an Sven. »Wie viel hat sie von dem Zeug intus?«
    »Nicht genug. Ich mach gerade eine zweite Portion fertig.« Vom Tisch holte er eine Kaffeetasse. Darin hatte er weitere Schlaftabletten aufgelöst. Gut, dass sie beide Röhrchen bei ihrer Oma geklaut hatte.
    »Gib her. Ich mach das. Halte ihren Kopf nach hinten und drücke ihr die Nase zu. Dann kann sie nicht anders, dann muss sie schlucken.« Sie nahm ihm die Tasse aus der Hand. Sven trat hinter den Sessel und folgte ihren Anweisungen. Als er Sandras Kopf zurückbog, öffnete sie die Augen und starrte Janina direkt an, doch der Blick hielt nicht, rutschte zur Seite.
    Ratzfatz war die Tasse leer. Sandra hatte sich kaum gewehrt, Augenblicke später sackte sie zusammen.
    Dornröschenschlaf, dachte Janina zufrieden, nur dass kein Prinz diese Assitussi jemals wach küssen würde.

45
    Verborgen in der Dunkelheit hinter den Fahrstühlen hörte er Janinas Telefonat mit. Was er hörte, beunruhigte ihn. Schläft
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