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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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Respekt gezeigt, doch das sagte sie A ndrea Braun natürlich nicht.
    Stattdessen folgte sie ihr wortlos in das nächste Büro. Fried erike eilte mit der irgendwie verkniffenen Braun auf einer Höhe voraus, während Vanessa abgeschlagen hinter ihnen her schlich. Bloß nicht auffallen. Sollte doch Friederike die Aufmerksamkeit erhalten, nach der sie so offensichtlich hungerte, Vanessa hatte davon für die nächsten Tage erst einmal genug.
    Der Raum, den sie dann betraten, war ein Großraumbüro mit einem halben Duzend Schreibtischen.
    Andrea Braun räusperte sich, und Vanessas Körper sank vor Verlegenheit zusammen. »Liebe Leute, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Das sind Friederike Munter und Vanessa Seebusch. Beide werden uns ab sofort für die nächsten drei Monate als Praktikantinnen hier in der PR Abteilung unterstützen.« Sechs Augenpaare legten sich auf die Neuankömmlinge – und blieben an der schmallippigen Friederike hängen. Dies war also die PR Abteilung … Vanessa sank noch etwas mehr in sich zusammen, als wolle sie sich in ihren eigenen Körper zurückziehen. Dennoch ließ sie unauffällig einen prüfenden Blick über die fremden Gesichter huschen. Doch da war nichts. Nichts, was sie berührte. Keine Züge, die herausstachen. Doch als sie ihren Blick wieder senkte, war da plötzlich die Erinnerung an zwei große, strahlend blaue Augen, die sie aufmerksam anblickten.
    Ein großer und gut beleibter Mann Mitte dreißig und mit ei ndeutig braunen Augen stand von einem der vorderen Tische auf, ging auf Andrea Braun und ihre Anhängsel zu und streckte die Hand aus. »Herzlich willkommen! Ich bin Peter.«
    Friederike war die Erste, die lächelnd seine Geste entgege nnahm. Vanessa beobachtete sie dabei und fragte sich gleichzeitig, warum das immer so war. Warum war sie selbst nie die Erste? Und warum begann es ausgerechnet jetzt, die blauen Augen noch frisch in ihrer Erinnerung, sie zu nerven?
     
     
    Donnerstag, 12. Juni
     
    Nach fast zwei Wochen hatte Vanessa immer noch nicht b egriffen, wozu eine Werbeagentur eine PR Abteilung brauchte. Aber wie hätte sie dies auch herausfinden sollen, wo sie doch die meiste Zeit des Tages im Druckerraum verbrachte? Ihre Arbeit dort war stets abwechslungsreich – kopieren, scannen, sortieren und heften, und an einigen Tagen durfte sie - als Highlight - Dokumente schreddern. Wie oft hatte sie sich dabei gewünscht, ihre Hände würden in den Aktenvernichter geraten, um dieses Elend zu beenden.
    Friederike Munter musste keine Praktikantinnen-Arbeit ve rrichten. Sie war innerhalb kürzester Zeit – nach nur einem halben Tag – zur persönlichen Assistentin von Jonas Hoffmann aufgestiegen, und das allein durch schmeichelnde Worte und einen mädchenhaften Augenaufschlag. Für Vanessa hatte sich die anfängliche Abneigung gegen Friederike schnell in Hass verwandelt. Zudem hatte Vanessa mittlerweile herausgefunden, dass eben diesem Jonas Hoffmann die großen, strahlend blauen Augen gehörten, die sie am ersten Tag so aufmerksam gemustert hatten. Seitdem schenkte er Vanessa jedoch keinerlei Beachtung mehr.
    »Wo finde ich das DIN A3 Papier für den Kopierer?«
    Vanessa stand vor dem Materialschrank im Druckerraum, als Peter zu ihr kam. Er war der Einzige, der seit Beginn ihres Praktikums mehr als nur ein paar Worte mit ihr gewechselt hatte, und auch sonst schien er ein angenehmer Zeitgenosse zu sein.
    »Ganz unten«, antwortete Peter und zwinkerte ihr aufmu nternd zu. Dann holte er seine Ausdrucke aus dem Kopierer und ließ Vanessa wieder alleine.
    Ihr war es ohnehin lieber, ihre Zeit zurückgezogen im Dr uckerraum zu verbringen, als in einem Büro voller Menschen, die sie nicht kennen wollte – und die sich nicht für sie interessierten.
    Doch schon kaum nachdem Peter den Raum verlassen hatte, öffnete sich die Tür ein weiteres Mal, und Friederike stolzie rte herein. In ihrem Arm trug sie einen dicken Stapel Papier fest an ihre schmächtige Brust gepresst. Vanessa verdrehte genervt die Augen, als Friederike mit ihrem aufgesetzten Lächeln auf sie zukam.
    »Alles in Ordnung, Vanessa?«, fragte Friederike süffisant und legte ihren Kopf kindlich zur Seite.
    »Bestens.«
    »Könntest du für mich diese Unterlagen zwanzig Mal kopi eren, sortieren und dann binden? Rote Papprücken wären total super! Tust du das für mich?«
    Erst jetzt sah Vanessa von ihrer Tätigkeit – dem Falten von bedruckten DIN A3 Blättern in das A4 Format – auf und hielt inne. Friederike
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